"ABOUT DEATH" - 4. Juli 2009

Mit dem Thema Tod befaßten sich unter dem sinnvollen Titel "About Death" die drei einaktigen Kurzopern aus dem 20. bzw. 21. Jahrhundert, die in der Opera stabile (der Studio-Bühne der Hamburgischen Staatsoper) als Produktion des in dieser Saison tollen Internationalen Opernstudios aufgeführt wurden.

Die Regie führte bei allen auf Englisch aufgeführten Stücken Petra MÜLLER. Die Regie ragte bei keinem großartig heraus, sondern fügte sich sehr homogen in die jeweiligen Stücke ein. Die Bühne bestand aus einem Podest, das mit Kieselsteinen bedeckt war, in einer Ecke stand mit roter Leuchtschrift "live". Im ersten Stück zierten rote Boxen die Bühne, im letzten ein Bett. Über der Bühne schwebten lange Stäbe mit Leuchten am unteren Ende. Für das Bühnenbild zeichnete Aida GUARDIA verantwortlich, ebenso wie für die Kostüme.

Das erste Stück "Death knocks" wurde von Christian Jost komponiert, der auch das Libretto verfaßte. Die Grundlage bildet das gleichnamige Theaterstück von Woody Allen. Es handelt sich um eine wundervoll skurrile Szene, in der der Tod in Form einer jungen Frau auftaucht, die ihren ersten Job ausführen will und von ihrem "Kunden", Nat Ackerman zu einer Partie Gin Rommé um einen Tag Aufschub überredet wird. Der Tod verliert, und Nat erhält weitere 24 Stunden.

Bedauerlicherweise fehlt der Musik jegliches Gespür für die Szene. Ironie? Sarkasmus? Schwarzer Humor? Fehlanzeige - alles wirkte bierernst. Die ernsten Passagen gelingen schon ernst, allerdings versanden diese ohne Fallhöhe des Humors in beliebiger moderner Einheitsmusik, die mit einigen Jazzelementen versetzt wurde. Ob Jost die Szene verstanden hat? Ob ich Jost verstanden habe?

Katerina TRETYAKOVA konnte als rollenkonform leicht überforderter und verwirrter "Death in person" mit sehr gut sitzendem Sopran und guter darstellerischer Leistung die durchweg positiven Eindrücke bestätigen, die sie im großen Haus hinterlassen hat. Ihren "Kunden" sang Dominik KÖNINGER, der dem schon fast gleichgültig wirkenden Charakter stets gerecht wurde.

Bezüglich der Regie hätte ich mir hier eine kleine Anziehung der beiden Charaktere gewünscht.

Die HAMBUGER PHILHARMONIKER unter der Leitung von Alexander SODDY, die in jedem Stück in Kammerbesetzung auftraten, meisterten die doch recht komplexe Aufgabe sehr souverän.

Das beste Stück war für mich "Savitri" von Gustav Holst. Er vertonte eine Episode ("Savitri und Satyavan") aus dem indischen Epos "Mahabharata". Es geht um Savitri, dessen Ehemann, der Holzfäller Satyavan, stirbt. Auf Bitten seiner Frau macht der Tod dieses jedoch wieder rückgängig.

Musikalisch schafft Holst, der durch seine "Planeten" (insbesondere "Jupiter") Stammgast bei allen Orchestern und Radiostationen dieser Welt ist, eine sehr ruhige, lyrische, ja fast poetische Atmosphäre zu kreieren, die dem Inhalt sehr gerecht wird. Einflüsse indischer, bzw. fremdartiger Musik läßt er nur sehr behutsam einfließen.

Dovlet NURGELDIYEV (Satyavan) bot eine herausragende Leistung. Sein Tenor beeindruckt mit einem herrlichen Schmelz. Vida MIKNEVICIUTE Savitri fiel durch eine sehr intensive Gestaltung und ebensolchen Gesang höchst positiv auf. Einzig der "Death" von Ryszard KALUS, seines Zeichens ehemaliges Opernstudiomitglied, konnte mich nicht so recht überzeugen. Mir fehlte das bedrohliche Element und vor allem die Rollenentwicklung.

Der "Chorus of female voices" (Go-Eun LEE, Katerina FRIDLAND, Aviva PINIANE, Juhee MIN) sang seine Vokalisen solide. Anna SKRYLEVA leitete das Orchester mit souveräner Hand.

Den Abschluß bildete "A Gentle Spirit" von John Tavener (Text Gerard McLarnon), die einzige Oper, in der der Tod nicht persönlich auftaucht und die einzige Oper, in der er triumphiert. Die Oper basiert auf der Erzählung "Die Sanfte" von Dostojewski. Es dreht sich um ein junges verarmtes Mädchen, das einem Pfandleiher all ihren Besitz veräußert, um ihn mit der Mitgift nach ihrer Heirat mit einem Trinker wieder einzulösen. Der Pfandleiher, ein in kompletter Isolation lebender "Deserteur" (er konnte einen vermeintlichen Gegner aus einem Gewissenskonflikt heraus nicht erschießen), bietet ihr an, sie zu ehelichen. Er unterwirft sie und zwingt sie zu schweigen. Sie verfällt in einen Fieberwahn und begeht Selbstmord.

Der eigentliche Aufhänger des Stücks ist, ebenso wie in der Erzählung, daß der Mann an der Leiche seiner Frau sitzt und sich erinnert. Ein in der Oper stets wiederkehrendes Motiv ist das per Tonband eingespielte und ständig repetierte "Let my soul live", was den Wahn des Pfandleihers unterstreicht.

Auch wenn Taveners stark atonale Musik vielleicht zum Gemütszustand und zur Geschichte an sich paßt, kann ich mich nach wie vor nicht mit dieser Art von Musik anfreunden. Insbesondere einige Koloraturen erschienen mir höchst unmotiviert...

Markus PETSCH (der zweite Gast nach Kalus) meisterte die ungemein anspruchsvolle Partie des "Man" sehr souverän. Sehr vermochte seine Darstellung beeindrucken. Den "Spirit of Girl" verkörperte Trine W. LUND äußerst solide. Ich hatte jedoch den Eindruck, daß die Sänger in ein sehr mächtiges "Korsett" eingeschnürt wurden und aus den Rollen nicht allzuviel machen konnten.

Wie in "Death knocks" leitete Alexander Soddy das durch sehr viele und eigenartige Perkussionsinstrumente verstärkte Orchester mit sicherer Hand. WFS