"SIEGFRIED" - 22. Oktober 2009

Mit dem "Siegfried" geht der Hamburger Ring in die 3. Runde. Meine Erwartungen an die Regie waren nach den sehr öden vorangegangenen Teilen ("Rheingold" und "Walküre") sehr gering.

Um es vorweg zu schicken: Diese Produktion ist die mit Abstand Beste von Claus GUTH, die ich bislang gesehen habe. Das allerdings auch hauptsächlich, weil mal überhaupt etwas wie Personenführung auf der Bühne zu sehen ist, was mir bei seinen vorherigen hiesigen Arbeiten verborgen blieb... Dieser Siegfried wuchs all die Jahre in einer Art heruntergekommen Lagerhalle bei dem medikamentensüchtigen Mime auf. Gegen Ende des 1. Aufzugs schmeißt er fast das gesamte "Inventar" in eine Feuergrube. Wenn der Wanderer die Behausung begutachtet, gibt es einen irgendwie bezeichnenden Moment, wenn er unter einem Laken Bauklötze entdeckt.

Eine interessante Tiefe erhält die Figur des Jungspundes, wenn er, nachdem er Mime und Fafner (der hier als normaler Mensch und nicht als Ungeheuer auftritt) getötet hat, diese in kindlicher Trauer aufsetzt und "herrichtet". Ein Einfall, der zu packen vermag! Nicht wirklich überzeugen konnte mich jedoch die Erda-Szene, in der selbige als Bibliothekarin das Wissen verwaltet, welches Wotan mittels Verwüsten der Karteikarten durcheinander bringt. (Es ist nicht wichtig, alles zu wissen, es ist wichtig zu wissen, wo alles steht). Als durchwachsen gestaltete sich das Finale, das einige gute Einfälle aufweist, am Schluß jedoch seine Wirkung etwas verfehlt, wenn Siegfried und Brünnhilde Bücher zerreißen.

Alles in allem krankt diese Regiearbeit, die von Guths Haus- und Hofausstatter Christian SCHMIDT mitgestaltet wurde, jedoch vor allem daran, daß sie insgesamt sehr verkopft rüberkommt und das Stück zu ernst nimmt. Wirklich überzeugen vermag er mich nicht.

Die Titelrolle lag bei Christian FRANZ in soliden Händen. Er spielte und sang die Höllen-Partie ohne Fehl und Tadel. Allerdings kaufte ich ihm den jugendlichen Abenteuerdrang keinen Moment ab. Ferner hat er eine Neigung dazu, für meine Verhältnisse zu wenig zu singen, so daß sein Vortrag des Öfteren etwas abgehackt klang. Allerdings muß man ihm zu Gute halten, daß er trotz angesagter Krankheit die Vorstellung sang.

Mit Peter GALLIARD (Mime) werde ich in diesem Leben wohl nicht mehr warm werden. Mir fehlte in seinem Vortrag einfach das skurrile Element. Er spielte zwar durchaus engagiert, und gesanglich kann man ihm auch nichts vorwerfen, aber er hat mich schlichtweg nicht erreicht.

Falk STRUCKMANN zeigte als Wanderer erneut, daß sich Konsonanten auch singen lassen... Ich finde es immer wieder faszinierend, wie er mit seinem sehr rauhen Baß-Bariton doch zu solchen Lyrismen fähig ist, und wie er es schafft auf eine sehr undeutsche Weise doch "deutsch" zu singen. Auch darstellerisch blieb kein Wunsch offen. Anzumerken ist eine minimale Indisposition, derart, daß ihm der eine oder andere Ton im Hals stecken blieb.

Die Entdeckung des Abends war die Brünnhilde von Catherine FOSTER. Ihre zugleich klare wie dramatische Stimme paßte einfach perfekt zu der Rolle, zudem war sie eine sehr intensive Schauspielerin. Es bleibt zu hoffen, daß sie auch in Zukunft die hiesigen Brünnhilden (und mehr) singen darf!

Als versoffener Alberich lieferte Wolfgang KOCH ein rundum befriedigendes Portrait. Diogenes RANDES (Fafner) und Deborah HUMBLE (Erda) sangen auf gutem Niveau. Ha Young LEE als Waldvogel, bzw. alter ego Siegfrieds (das erste Male, daß die altbekannte Guth'sche Dopplung der Figuren ab und an nicht ganz sinnfrei ist) produzierte lauter richtige Töne.

Am Pult der sehr gut disponierten HAMBURGER PHILHARMONIKER waltete Simone YOUNG äußerst solide. Allerdings fehlte mir noch das letzte Quentchen, welches aber sicherlich im Laufe der Serie noch hinzukommen wird. WFS