"LA TRAVIATA" - 3. Dezember 2009

"Endlich!" war mein erster Gedanke, als Marina POPLAVSKAYA ihre ersten Noten sang. Nach diversen Vorstellungen, in denen Violetta mit eher piepsigen Koloratursopranen besetzt war, war hier eine dunkeltimbrierte, eher ins spinto-Fach weisende Stimme zu hören. Selbst im ersten Akt, in dem dramatischere Stimmen häufig zu kämpfen haben, war sie der Partie vollständig gewachsen. In den dramatischen Ausbrüchen waren keine Grenzen zu hören, in den lyrischen Momenten zeigte sie eine Tiefe in der Interpretation, die zu berühren vermochte. Dazu kam eine durchdachte Darstellung, die Violetta tatsächlich durchgehend als kranke Frau zeigt, welche versucht, sich durch die Liebe zu Alfredo ans Leben zu klammern. Frau Poplavskaya wurde schon nach dem ersten Akt beim Vorhang verdientermaßen förmlich vom Applaus von der Bühne gefegt, was sich dann am Ende noch einmal steigerte.

Andrzej DOBBER benötigte einen kurzen Moment, um sich in der Rolle von Germont zurechtzufinden, doch dann bot er alles, was in dieser Partie wünschenswert ist: eine endlos strömende Stimme mit den richtigen Akzenten, arrogantes Auftreten, heimliches Beeindrucksein von Violettas Haltung, Härte gegenüber seinem Sohn und ein Wechseln zu ungewohnter Wärme, wenn er von seiner Tochter singt. Das Duett Violetta/Germont war an diesem Abend der wahre Höhepunkt.

Leider ganz und gar nicht auf diesem Niveau war Dario SCHMUNCK als Alfredo. Die Stimme war eindeutig zu klein für das große Haus und zwei Partner vom Format der Vorgenannten. Gelegentlich war man der Ansatz einer gut phrasierten Passage zu hören, die jedoch gleich darauf wieder in heftiges Forcieren überging. Zudem war auch darstellerisch hier nichts wirklich zu erkennen, was auch nur ansatzweise die stimmliche Leistung aufgewogen hätte. Ob nicht das junge Opernstudio-Mitglied Dovlet NURGELDIYEV als Gastone der bessere Alfredo gewesen wäre? In seinen wenigen Phrasen klang er jedenfalls gesünder und präsenter als Schmuck.

Aus den weiteren kleineren Rollen ragte - wieder einmal - Katja PIEWECK als Annina heraus, Hee-Saup YOON als Grenvil, Kyung-Il KO als Marquese, Maria MARKINA als Flora, Peter VEIT als Commissionario und Ziad NEHME als Giuseppe ergänzten auf hohem Niveau, während Douphol Dieter SCHWEIKART und Steven DORN GIFFORD (Diener bei Flora) unauffällig blieben.

Simone YOUNG und die PHILHARMONIKER HAMBURG wirkten beim Aufgehen des Vorhanges irgendwie unkonzentriert, was sich jedoch spätestens nach der ersten Pause gegeben hatte. Ab da war ein straff dirigierter, auch an langsamen Stellen nie spannungsarmer Verdi zu hören. Vielleicht etwas zuviel Rücksicht nahm das Dirigat auf den Tenor; wäre das Orchester an einigen Stellen noch mehr zurückgenommen worden, hätte man auch dieses nicht mehr gehört.

Selbst in der 247. Vorstellung von Folke ABENIUS' Inszenierung aus dem Jahre 1975 erntet das erste Bild beim Aufgeben des Vorhanges noch eine freudige (erleichterte?) Reaktion des Publikums. MK