"DIE LUSTIGE WITWE" - 28. Dezember 2009

Nein, wirklich lustig ist die Inszenierung von Harry KUPFER nicht. Das wäre auch nicht unbedingt notwendig, wenn Kupfer seine gar nicht so schlechte Anfangsidee, in welcher Danilo, Hanna und Njegus in GI-Uniform nach dem Krieg in ein zerstörtes Filmstudio zurückkehren und sich dann erinnern, indem sie beginnen, mit Textbuch und Plattenspieler das Stück zu spielen, oder wie Erinnerungsfetzen Szenen plötzlich erscheinen.

Etwas unvermittelt wechselt es dann zu Dreharbeiten zu dem kunterbunten Film "Die lustige Witwe", irgendwo in den fünfziger Jahren. Eine wirkliche Rückkehr zu der Anfangsidee findet nicht statt, auch ist nicht ersichtlich, was der Filmdreh aussagen soll. Zudem stellte sich mir ständig die Frage, wie viele Schauspieler, die nach 1933 immigriert waren, in einem Unterhaltungsfilm der fünfziger Jahre tatsächlich Hauptrollen bekommen haben. Mir fielen nicht wirklich welche ein. Wäre dies thematisiert worden, hätte das durchaus interessant werden können.

Natürlich ist die Personenregie bei Kupfer ausgearbeitet, aber es wuchs einem keine der Figuren ans Herz, und man interessierte sich auch nicht wirklich für die Nöte der Charaktere. Das Bühnenbild von Hans SCHAVERNOCH sind ebenso wie die Kostüme von Yan TAX geradezu verschwenderisch, sobald die Dreharbeiten im Fünfziger-Jahre-Ambiente beginnen, und zuvor angemessen deprimierend. Wirklich sehr schön ist die Idee des Waschraums auf der Party bei Hanna, der auf der einen Seite die Damen und durch eine Wand getrennt die Herren zeigt.

Miriam GORDON-STEWART hat seit ihren Anfängen in Hamburg sich erheblich gesteigert. Sie sang die Titelrolle sicher, abgesehen von zwei verrutschten Tönen, und war eine attraktive Erscheinung. Sie hatte allerdings offenbar die größten Schwierigkeiten mit dem Konzept und wirkte dadurch immer irgendwie außerhalb der Handlung, so daß man zu keinem Zeitpunkt der Figur näher kam. Bo SKOVHUS fehlte es als Danilo an Charme in der Stimme; man konnte sich teilweise des Eindrucks nicht erwehren, daß er lustlos sang, wobei er darstellerisch ganz und gar nicht lustlos wirkte. Außerdem klang die Stimme gerade bei den "Hits" flach und sogar leicht angegriffen. Er hatte allerdings ein paar wirklich komische Momente, in denen er extemporierte.

Der Camille von Jun-Sang HAN kämpfte zu Beginn ganz erheblich mit den Höhen und der Durchschlagskraft. Dies legte sich jedoch im Laufe des Abends. Der junge Tenor ließ dann wunderschöne Phrasierungen hören und spielte sehr amüsant die Eitelkeit um die beste Großaufnahme aus. Auch Gabriele ROSSMANITH (Valencienne) verfügt nicht über eine Riesenröhre, aber sie hatte von Beginn an keine Schwierigkeiten mit Höhen oder Durchschlagskraft und war darstellerisch tatsächlich eine sehr junge Frau. Zudem verfügt sie über eine große Präsenz.

Ob man Günter NEUMANN (Mirko Zeta) wirklich noch singen hören muß, ist fraglich. Als Figur jedoch überzeugt er, ebenso wie Frieder STRICKER als Njegus, der es irgendwie sogar als einziger schaffte, gelegentlich eine gewisse Melancholie durchscheinen zu lassen.

Dominik KÖNINGER und Jürgen SACHER sind als Cascada und St. Brioche luxuriöse Besetzungen, ebenso wie Vida MIKNEVICIUTE, Maria MARKINA und vor allem Renate SPINGLER als Sylviane, Olga und Praskowia. Kyung-Il KO (Bogdanowitsch), Sven Olaf GERDES (Kromow) und Günter HARTMANN (Pritschitsch) ergänzten kompetent.

Simone YOUNG nimmt sich der leichten Muse persönlich an und dirigiert flott und schwungvoll die PHILHARMONIKER HAMBURG. Daß sich weder Operettenseligkeit, noch gar tiefere Betroffenheit einstellte, lag nicht am Dirigat, an der Orchesterleistung oder dem engagierten CHOR (Leitung: Christian GÜNTHER), sondern vor allem an der unentschlossenen Regie. MK