"DER LIEBESTRANK" - 8. Januar 2010

Die Hamburger Kammeroper, die gerne mal Raritäten wie "La Bohème" von Leoncavallo oder den "Blitz" von Halevy ausgräbt und bekömmlich sowie in teils beachtenswerter Qualität aktualisiert, verläßt sich in dieser Spielzeit auf Altbewährtes. Den Anfang machte die Wiederaufnahme vom "Don Giovanni". Die Spielzeit endet mit einem neuen "Freischütz". Die zweite Neuproduktion bildete der "Liebestrank".

Es wurde wie immer eine hauseigene deutsche Textfassung von Barbara Hass angefertigt, die an die Inszenierung angepaßt und sehr singbar ist.

Der Tänzer, Sänger, Schauspieler und Choreograph Ferdinando CHEFALO führte Regie. Er läßt das Werk in einer Bar (Bühnenbild: Kathrin KEGLER) in der Gegenwart spielen. Dulcamara ist entsprechend der Barkeeper, der das Geschehen lenkt, die restlichen Akteure sind seine Gäste. Das Grundkonzept ist durchaus praktikabel, viele Ansätze interessant, wenngleich die Naivität der Personen angesichts der Aktualisierung schon fast lächerlich zu nennen ist... Wer glaubt denn heutzutage noch an Liebestränke? Die Beweggründe für Adina, Nemorinos Schmachten nicht stattzugeben, sind sehr schlüssig: Ihre Beziehungen sind (aus ihrer Sicht) immer an ihrer Unfähigkeit gescheitert, was sie Nemorino nicht antun will. Allerdings krankt die Inszenierung daran, daß der Regisseur viel zu viel will, und daß nicht immer klar ist, was er eigentlich genau will. Nebenbei bemerkt: In welchem Land werden oder wurden eigentlich Todesanzeigen mit expliziter Nennung des Alleinerben an eine Wand gekleistert???

Die Idee, alles als Theater im Theater zu machen, ist teilweise gut umgesetzt, nervt aber sehr schnell, da alles in die Länge gezogen wirkt. Ein echtes Ärgernis ist der zweite Akt. Während im ersten nur behutsam gestrichen wurde, kam das Ende viel zu plötzlich, so daß von einem Handlungsloch zu sprechen pure Untertreibung wäre. Insgesamt wird eine um eine gute halbe Stunde amputierte Version gespielt!

Mit Pamela HEUVELMANS stand eine Adina zur Verfügung, der es nicht immer gelang, die Töne zu treffen, und die Koloraturen hat man auch schon mal sauberer gehört. Dafür lieferte sie eine solide darstellerische Leistung ab. Bedeutend schlimmer war es um Simó Pere CAMPOS I MICÓ bestellt. Sein dünner, uninspirierter Tenor offenbarte gravierendste technische Mängel. Insbesondere im "Una furtiva lagrima" kiekste er bei nahezu jedem hohen Ton und schluderte bei den Läufen.

Der Belcore lag bei Michael MÜLLER-DEEKEN in sehr guten Händen. Er spielte und sang mit einer charmanten Arroganz, so daß man sich fragte, warum Adina ausgerechnet auf diesen blassen Nemorino abfährt. Daß Joo-Anne BITTER nicht mit der weiblichen Hauptpartie betraut wurde, kann ich mir nicht erklären. Sie nennt einen großen, angenehm runden Sopran ihr Eigen und spielt sehr ambitioniert. Schade, daß die Rolle nur so kurz ist... Ich hoffe, daß bald mehr von ihr zu hören ist, die ja schon eine sehr gute Donna Anna war.

Die Tatsache, daß die Aufteilung des Dulcamara in einen Schauspieler und einen Sänger mit dem Rollennamen "Olli Schmidt", der auch irgendwie mitspielt - warum auch immer, nicht zu einer komplett nervigen Peinlichkeit verkommt, ist v. a. auf den charmant-nonchalanten Schalk des Mimen Ralf HUTTER zurückzuführen, dessen kommentierende Blicke mehr als tausend Worte sagten. Der Gesangspart wurde von Ryszard KALUS solide verkörpert, wenngleich ihm die Durchtriebenheit der Rolle abging. Er ist offenbar im komischen Fach besser aufgehoben, als im ernsten.

Nach minimalen Anfangsschwierigkeiten fand der neue musikalische Leiter der Kammeroper Fabian DOBLER, der auch die musikalische Bearbeitung verantwortete, mit dem sechsköpfigen ORCHESTER zu einer soliden Leistung, die jedoch mit einem Finale endete, das ganz kurz vor einem Schmiß stand. Insgesamt wäre vielleicht gerade bei einer solch kleinen Besetzung ein etwas pointierterer, kantigerer Stil wünschenswert. Man darf gespannt sein, wie sich der Freischütz (insbesondere die Wolfsschluchtszene!) anhören wird... WFS