"ANDREA CHÉNIER" - 18. Februar 2010

In der Reihe "OPERA RARA" gibt es an der Hamburgischen Staatsoper jede Saison eine konzertante Aufführungsserie von vier Abenden mit selten gespielten Werken der Opernliteratur. Diese Saison stand (nach "Daphne" und "Attila") nun mit Giordanos Revolutionsdrama "Andrea Chénier" ein allgemein nicht ganz so (aber trotzdem viel zu) selten aufgeführtes Werk auf dem Spielplan. In der Hamburger Oper wurde das Werk geschlagene 55 Jahre nicht gespielt!

Trotz des Engagements eines weltbekannten Sängers in der Titelpartie war (zumindest) die letzte Aufführung nicht ganz ausverkauft (ein Hinweis auf den "Star" des Abends auf den Plakaten wäre evtl. hilfreich gewesen...).

Dieser (Johan BOTHA) sang wie unbeteiligt und ohne irgendwelche Emphase, geschweige denn Interpretation. Weiß er, was er da singt? Weiß er, daß der Chénier ein Revolutionär war, und daß das "Improvviso" eine himmelschreiende Anklage gegen die Ungerechtigkeit in der Gesellschaft ist? Dazu kommt, daß er sich als unglaublich eintöniger Darsteller präsentierte (wie im "Attila" spielte das Orchester im Graben, während die Protagonisten auf der Bühne quasi frei agieren). Sein Gestenspektrum umfaßte: rechten Arm heben, linken Arm heben, beide Arme heben. Wofür genau ist er jetzt bekannt???

Etwas mehr zu bieten hatte Norma FANTINI als Maddalena. Sie verfügt über eine schöne Mittellage und sang durch die Bank weg solide, wenngleich der Rolle mehr Profil gut getan hätte. Stimmlich harmonierte sie mit ihrem Bühnen-Geliebten ganz und gar nicht. Ihre Darstellung war mir zu aufgesetzt.

Dem angesagten Franz GRUNDHEBER (Gérard) kann man nicht vorwerfen, daß er nichts aus der Rolle machen wollen würde, allerdings macht er für meine Verhältnisse zu viel, so daß sein Vortrag, den er als einziger streckenweise mit Hilfe den Noten bestritt, teilweise haarscharf an einer Parodie vorbeischrammte.

Von ganz anderem Kaliber zeigten sich einmal mehr die Wurzen. Ann-Beth SOLVANG gab eine interessante Bersi, Christina DAMIAN eine würdige Contessa und Deborah HUMBLE eine solide Madelon. Brian DAVIS sang einen mehr als passablen Roucher und Hee-Saup YOON einen mächtigen Fouquier-Tinville. Moritz GOGGs (Mathieu) wirkte etwas teilnahmslos, wohingegen Jürgen SACHER einen wundervoll verschlagenen, hinterlistigen Incredibile der Extraklasse sang. Andreas KUPPERTZ (Dumas) und Yo Chan AHN (Maestro di Casa) ergänzten solide.

Dong-Hwan LEE (Fléville), Ziad NEHME (Abate) und Kyung-Il KO (Schmidt) demonstrierten einmal mehr das Potential, das im aktuellen Opernstudio schlummert.

In Hochform präsentierten sich die HAMBURGER PHILHARMONIKER, die unter Simone YOUNGs Leitung einen süffigen, aber niemals schmalzigen Klang verströmten, und das wie immer höchst sängerfreundlich. Der CHOR (Leitung: Florian CSIZMADIA) absolvierte seinen Part ohne Fehl und Tadel.

Fazit: Diese Oper hat eine eigene Produktion verdient und v. a. eine größere Reputation, ganz zu schweigen von einem charismatischen Tenor... WFS