"AIDA" - 28. Mai 2010

Während der Premiere der neuen "Aida"-Produktion und in den Tagen danach befanden wir uns im Urlaub. Nach unserer Rückkehr wurde uns von geradezu euphorischen Kritiken in Presse und TV berichtet, die für restlos ausverkaufte Vorstellungen sorgten. Entsprechend hoch waren die Erwartungen, als es gelang, für die fünfte Vorstellung noch Karten zu ergattern.

Leider stellt sich die große "Warum waren die Kritiken so euphorisch?"-Frage. Hierfür war nämlich schwerlich ein Grund zu erkennen. Die Inszenierung von Guy JOOSTEN belanglos zu nennen, würde ihr zuviel der Ehre antun. Es gibt diverse Versatzstücke, die man woanders schon gesehen hat (der Triumphakt als Cocktailparty, die Priester als Vertreter der Kirche, den Auftritt des Boten als Propagandainszenierung), nur wurden sie da besser dargeboten.

Fast permanent befindet sich ein Bett auf der Bühne (Bühnenbild Johannes LEIACKER), in dem sich zu Anfang Aida und Radames wälzen, bis dann alle weiteren Figuren ungehindert in dieses Zimmer marschieren. Ich würde ja mal über Türen nachdenken. An den Wänden befinden sich Projektionen von Ameisen (oder auch Termiten?), deren Anwesenheit sich überhaupt nicht erschließt. Die Bühne ist vorrangig weiß, was den Augen nicht wirklich dauerhaft hilft, die Kostüme (Jorge JARA) sind bei den Herren meist Uniformen, bei den Damen Abendgarderobe, was von mangelnder Originalität zeugt.

Daß Amneris am Ende der Gerichtsszene eine Überdosis Tabletten mit Alkohol herunterspült und zum Finalduett dann verreckt, ist immerhin ein diskutabler Einfall, provoziert jedoch unweigerlich den Kommentar, ob sie das szenische Elend wohl auch nicht mehr ertragen konnte.

Dirigiert wurde der Abend von Carlo MONTANARO, eine nur als vergessenswert zu bezeichnende Leistung. Da fehlten Akzente, alles vermischte sich zu einem beliebigen langweiligen Einheitsbrei, bei dem das ORCHESTER auch noch ein ums andere Mal danebengriff. Daß Montanaro auch nächste Saison die "Aida" leiten wird, dürfte ein weiteres Hindernis sein, sie sich noch einmal anzusehen.

Die Plazierung der "Aida"-Trompeten im vierten Rang ist für das dort sitzende Publikum ein Ärgernis, denn sie sind nicht einfach nur unerträglich laut, so daß man um seine Trommelfelle fürchten muß, sondern liegen auch teilweise arg daneben. Es wäre auch angebracht, wenn die Musiker nach ihrem Auftritt sich nicht unbedingt zwischen den Logen aufhalten würden, um sich lautstark zu unterhalten.

Der CHOR unter Leitung von Florian CSIZMADIA schlug sich einigermaßen wacker; ich habe die Herrschaften aber auch schon engagierter und homogener gehört.

Latonia MOORE in der Titelrolle waberte sich lediglich nur durch die Partie. Ihre Stimme hat sicherlich eine beträchtliche Größe, nur kann sie damit überhaupt nicht umgehen. Sie bekommt die Stimme einfach nicht unter Kontrolle, insbesondere gelingt es ihr kaum einmal, die Stimme ausreichend zurückzunehmen. In der Höhe wird sie dann auch noch schrill. Franco FARINA als Radames bot etliche grelle Töne, deutliche Zeichen einer stimmlichen Überforderung, ein Vibrato, durch das ein altägyptischer Streitwagen paßt, und keinerlei Auseinandersetzung mit der Figur. Das Schicksal von Radames war einem bestenfalls gleichgültig.

Laura BRIOLI als Amneris war mit einer Erkältung angesagt, so daß hier eine weitergehende Kritik sich eigentlich verbietet. Man kann allerdings sagen, daß sie von den drei Hauptpartien noch am ansprechendsten klang, zumal sie trotz der Tatsache, daß sie von der Regie einfach nur platt als Alkoholikerin gezeichnet war, immerhin versuchte, die Rolle zu interpretieren.

Ramfis Diogenes RANDES stellte eine klassische Fehlbesetzung dar. Ihm stehen einfach die Stimmfülle und drohende Tiefe, die für diese Rolle vonnöten ist, nicht zur Verfügung. Daß dieser Priester die wahre Macht im Staate sein soll, erschließt sich überhaupt nicht. Der Bote Jun-Sang HAN und die Priesterin Kari POSTMA erledigten ihre kurzen Aufgaben immerhin ordentlich.

Eigentlich gab es nur zwei wirkliche Lichtblicke, und das waren die beiden gegnerischen Könige, die zudem in der Triumphszene auch noch ein darstellerisches Highlight boten, während sie sich mit Blicken abschätzten. Andrzej DOBBER war als Amonasro in jeder seiner zwei Bilder präsent. Er verwechselte Singen auch nicht, wie dies ja leider in dieser Rolle vorkommt, mit Brüllen, sondern differenzierte wunderbar, nahm die Stimme zurück, wenn es nötig erscheint, den Gegenüber zu umschmeicheln. Der ägyptische König war Wilhelm SCHWINGHAMMER, den man sich auch als Ramfis hätte vorstellen können. Er bot tadellosen Gesang, gepaart mit durchdachtem Spiel.

Wenn in einer "Aida" tatsächlich Amonasro und Il Re die einzig bemerkenswerten Momente haben, ist ganz offensichtlich irgend etwas ganz grundsätzlich falsch gelaufen. MK