"FAUST" - 22. Februar 2011

"Pädophilie ist irgendwie falsch" Das zumindest scheint die einzige Aussage zu sein, die Andreas HOMOKIs Inszenierung von Gounods Oper treffen möchte. Ansonsten ist die Produktion nämlich an Fadheit kaum zu übertreffen. Wann werden Ausstatter wie Wolfgang GUSSMANN nur begreifen, daß es ausgesprochen ermüdend ist, wenn das Publikum drei Stunden lang auf graue Kulissen starrt, in denen sich grau kostümierte Personen bewegen, und die einzigen drei Farbflecken die roten Hörnchen von Mephisto, Marguerites rosafarbenes Kleid sowie ein bißchen Blut auf Marguerites Nachthemd im letzten Bild sind? Wenn die spannendste Frage der Inszenierung ist, wann und in welche Richtung sich die Drehbühne das nächste Mal bewegen wird, spricht das nicht für eine interessante Personenregie.

Sämtliche Figuren, abgesehen von Faust, laufen irgendwann einmal mit einer häßlichen Puppenmaske herum und sind als Schüler kostümiert. Das Bühnenbild wird abgesehen von den grauen sich ständig bewegenden Wänden von einem Riesenstuhl, auf dem entweder eine überdimensionierte Puppe oder aber Marguerite sitzt. Das alles soll uns offenbar zeigen, daß Faust sich zu sehr für ein Kind interessiert. Das wäre eine mögliche Deutungsweise, wenn sie nicht so fürchterlich fad umgesetzt worden wäre. Die Kirchenszene findet eigentlich szenisch gar nicht statt, bei Faust fragt man sich insbesondere im zweiten Bild, ob der Sänger wohl pro Umrundung der Bühne bezahlt werden wird, und warum der Chor mit Mephisto im Bunde zu sein scheint, erschließt sich auch nicht.

Dieses szenische Nichts wird leider auch musikalisch nicht wirklich aufgewogen. Der CHOR DER STAATSOPER HAMBURG (Leitung: Christian GÜNTHER) und die PHILHARMONIKER HAMBURG leisten sich diverse Fehler. Ob man in absehbarer Zeit einmal wieder mit fehlerfreien Bläsern rechnen kann? Hilfreich war hier mit Sicherheit nicht das Dirigat von Cornelius MEISTER, welches zwischen langweilig zerdehnt und übertrieben zackig (Valentins Rückkehr) pendelte, und zudem leider jegliche Rücksicht auf die Sänger vermissen ließ. Mehr als einmal hatten die Sänger hier mit Lautstärke, merkwürdigen Tempi und verwirrenden Wechseln bei Dynamik und Tempi zu kämpfen.

Alexia VOULGARIDOU könnte als Marguerite punkten, wenn sie ihre Stimme mehr strömen ließe. Stattdessen setzt sie an einigen Stellen auf Effekt und bleibt ansonsten vollkommen unauffällig. Es gelingt ihr zu keinem Zeitpunkt irgendein Interesse an dieser Figur zu wecken, sie bleibt kalt und emotionslos. Ob sie nun das offenbar von der Inszenierung gedachte kleine Mädchen oder eine erwachsene Frau spielen will, bleibt auch unklar. Auch nicht besser bestellt ist es um den Valentin von George PETEAN. Wirkliche Begeisterung konnte ich für diesen Sänger nie empfinden, er konnte mich zu keinem Zeitpunkt und in keiner Rolle packen, doch jetzt kratzt es zudem auch noch heftig in den Höhen. Szenisch ist Valentins Charakter sowieso durch das Kostüm der Lächerlichkeit preisgegeben.

Ein überaus sonderbarer Fall ist der Faust von Giuseppe FILIANOTI. Ich war begeistert von seinem Idomeneo und seinem Hoffmann vor einigen Spielzeiten, mit seinem Faust werde ich jedoch nicht glücklich. Das kostbare Timbre ist stellenweise verschwunden und nur noch in der mittleren Lage vorhanden, die Spitzentöne sind sauber und sicher, aber in der Lage dazwischen verliert die Stimme deutlich an Qualität. Außerdem wirkt er mit der Regie vollkommen alleingelassen, scheint nicht wirklich etwas mit der Rolle anfangen zu können.

Tigran MARTIROSSIAN wird einmal ein großer Mephisto werden, wenn ein guter Regisseur und ein weitaus besserer Dirigent die Rolle mit ihm erarbeiten. So war er immer noch von den Hauptrollen der am besten Singende und Spielende mit klugen Phrasierungen und erheblicher Eleganz, aber man merkt, daß hier noch mehr möglich wäre, daß die Partie noch nicht ganz die seine ist.

Immerhin waren die kleineren Rollen auf allerhöchstem Niveau besetzt. Maria MARKINA bot einen (wenn auch stark gekürzten) Siebel mit schönem Mezzo und viel Persönlichkeit, Renate SPINGLER dürfte in ihrer dezenten, aber trotzdem köstlichen Komik als Marthe kaum überbietbar sein, und Alexander TSYMBALYUK stellt als Wagner natürlich den puren Luxus dar, selbst mit der albernen Maske noch szenenbeherrschend. MK