"CAVALLERIA RUSTICANA"/"I PAGLIACCI" - 1. März 2011

Ein zwiegespaltener Abend, nicht allein aufgrund der Tatsache, daß (wenig überraschend, versteht sich) zwei Stücke auf dem Spielplan standen, sondern insbesondere weil die Qualität der beiden Teile so merklich unterschiedlich war.

Eine "Cavalleria" steht und fällt mit der Santuzza. Um sie und ihr Leid dreht sich das Werk. Sie befindet sich die meiste Zeit auf der Bühne. Um dies bewältigen zu können, braucht es Kondition und Präsenz. Mit der Interpretation von Waltraud MEIER konnte ich weder in der Darstellung, noch gesanglich etwas anfangen. Die nötige Kondition bringt sie mit. Präsenz vermißte man jedoch schmerzlich. Daß Mamma Lucia, von Renate SPINGLER mit fast greifbarer Würde und stimmlichem Variantenreichtum grandios in Szene gesetzt, und Lola (herrlich keck und stimmstark: Maria MARKINA) ihr derart mühelos den Rang ablaufen, war dann doch ein wenig überraschend. Die angereisten Fans störten dann allerdings weder dies, noch die sporadisch auftretenden Intonationsprobleme oder das streckenweise recht merkwürdig klingende Italienisch. Sie bejubelten ihren Star und waren glücklich.

Auch die Herren konnten den ersten Teil des Abends nicht retten. Andrzej DOBBER machte hier zwar definitiv die bessere Figur, zu seinen Lieblingspartien dürfte Alfio allerdings nicht zählen, und so zog er sich mit Anstand sowie dem einen oder anderen (schön gesungenen) Puccini-Anklang aus der Affäre. Andrew RICHARDS verlegt sich an diesem Abend primär aufs Posen, konnte damit allerdings nicht verbergen, daß seine Stimme der Partie über weite Strecken nicht gewachsen ist. Irgendwann verließ ihn auch schlicht die Kondition.

Merkwürdiges konnte man auch dem Graben hören. Noch nie haben die PHILHARMONIKER an einem Abend, der von Simone YOUNG geleitet wurde, derart fahrig und wuselig geklungen. Die Idee, die wohl hinter der orchestralen Interpretation stand, schien interessant zu sein, doch es haperte an der Umsetzung. Diese Nervosität übertrug sich auch auf CHOR und EXTRACHOR, die teilweise Mühe hatten, der Musik einig zu folgen.

Der zweite Teil des Abends begann wesentlich besser und blieb es auch bis zum dramatischen Ende.

Hier konnte Andrzej DOBBER sein Können perfekt zur Geltung bringen. Die klare Trennung zwischen Prolog und seinem Auftritt als Tonio wurde nicht allein durch die Kleidung, sondern durch Körperhaltung und Stimme so konsequent wie professionell manifestiert. Und jedes Mal, wenn man ob der Schönheit von Musik und deren Interpretation durch den Bariton geneigt war, Tonios eigentlichen Charakter zu verdrängen, brachte der Sänger genau diesen wieder zum Vorschein.

Das Zusammenspiel der Nedda von Mirjam TOLA, mit ihrer ruhigen, beinahe zurückhaltenden Art zu spielen und präzise zu singen, die erst ausbricht als Silvio die Szene betritt, und des beinahe lethargisch zu nennenden Canio von Carl TANNER, der nur aus sich herauskommt, wenn Publikum anwesend ist, oder es um seine Frau geht, machte die Entwicklung hin zum unweigerlich anstehenden Konflikt spannend. Leider besitzt Carl Tanner ein Manko, das den positiven Eindruck seines kraftvollen, solide geführten Tenors und der durchdachten Charakterisierung stört. Er neigt zu Vokalverfärbungen Hieran müßte dringend gearbeitet werden.

In den kleineren Rollen ergänzten der eingesprungene Jun-Sang HAN als sympathischer Beppe mit hübsch klingender Stimme, Viktor RUD als wenig inspirierender Silvio sowie Thomas BRIESEMEISTER und Mariusz KOLER als Contadini.

Dem Chor (Leitung: Florian CSIZMADIA) lag Leoncavallo diesmal mehr als Mascagni, und auch die Philharmoniker mit Simone Young an der Spitze konnten hier punkten. Das "Pagliacci"-Zwischenspiel habe ich wohl noch nie schöner interpretiert gehört, und ganz generell war dieser Teil des Abends Verismo auf einem sehr hohen Niveau. AHS