"EUGEN ONEGIN" - 2. März 2011

Es gibt Inszenierungen, die einfach nur schön. Der Hamburger "Onegin" gehört sicherlich dazu. Keine Ahnung, wie viel vom ursprünglichen Konzept des Regisseurs Adolf DRESEN und seines Bühnenbildners Karl-Ernst HERRMANN übriggeblieben ist (beide Punkte sind im Programm mittlerweile mit einem "nach" versehen), doch hier wird die Geschichte, und zwar die von Puschkin geschaffene und von Tschaikowski vertonte, erzählt, was das Zuhören und -schauen zum Vergnügen macht.

Gesungen wurde zudem auf Russisch, was aufgrund der vielen Muttersprachler sowie der gut trainierten Nicht-Muttersprachler ein Hörvergnügen war. In der ersten Serie griff man bei den Besetzungen auf das hauseigene Ensemble zurück. Allein die Sängerin der Tatjana war ein Gast.

Lauri VASAR hat sich augenscheinlich intensiv mit der Figur des Onegin beschäftigt. Herausgekommen ist dankenswerterweise kein arroganter Schnösel, der am Ende, wenn Tatjana ihn zurückweist, aus heiterem Himmel zusammenbricht, sondern ein junger Mann mit ebenjenen Schwächen und genau jener Entwicklung, die man im Poem findet und die, wenn man nur zuhört, auch 1:1 in der Musik zu findet ist.

Hinzu kommt, daß Vasar die Rolle präzise sang, den emotionalen Aspekt dabei aber für keinen Moment aus den Augen verlor und so mit einem in allen Facetten vollendeten Vortrag überzeugte. Die Rückgabe des Briefes und der kurze Augenblick nach der erneuten Begegnung mit Tatjana wurden so zu Schlüsselmomenten. In der letzten Szene berührte die hör- wie sichtbare Verzweiflung zutiefst. Eine rundum gelungene Leistung.

Tatjana in der Interpretation vom Tamar IVERI geriet hier ein wenig ins Hintertreffen. An ihrer gesanglichen Leistung war nichts auszusetzen. Ihre Stimme allein solide zu nennen, würde ihr nicht gerecht werden. Ihr Sopran klingt in allen Lagen sauber, warm und schön. Doch ihr fehlte in so manchem Augenblick die schwärmerische Komponente des Charakters. Zu Beginn der Briefszene, die sie zweifelsohne tadellos und ohne Zeichen von Mühe oder Überforderung sang, blitzte etwas davon auf.

Die Olga wurde von Cristina DAMIAN angemessen frech gespielt und sehr gut gesungen. Der Kontrast zwischen ihrer doch sehr dunklen Stimme und der von Tamar Iveri schuf in der ersten Szene interessante Effekte.

Für Dovlet NURGELDIYEV ist Lenski eine ideale Rolle. Sie liegt ihm nicht nur perfekt in der Kehle, sondern bietet dem Tenor viel Raum, im Rahmen seiner vielschichtigen stimmlichen Möglichkeiten Tschaikowskis Musik virtuos zu interpretieren. Welcher junge Sänger vermag es derzeit zudem, für diesen Dichter in seiner Emotionalität so hochmusikalisch einzunehmen?

Die Stimme von Alexander TSYMBALYUK vollzieht derzeit eine Entwicklung hin zu einem sehr dunklen Klang. Halb bewältigt schien der Weg an diesem Abend bereits, auch wenn nicht jeder Ton der zum Teil bereits sehr schwarz klingenden Tiefe saß, konnte man bereits erahnen, wo hin diese Entwicklung führen mag. Trotz seines Alters gelang es dem Baß, Gremin eine gewisse Gesetztheit und Autorität ausstrahlen zu lassen. Tatjanas Zerrissenheit wurde so verständlicher.

Katja PIEWECK gab mit beeindruckender Stimme eine aufgeräumte, volksnahe Larina. Das Duett mit der ebenfalls gut disponierten Susanne SOMMER war ein echtes Vergnügen für die Zuschauer. Wenn man noch kein Fan des aktuellen Opernstudios wäre, hätte man es an jenem Abend werden können, denn Dong-Hwan LEE als Hauptmann und Levente PÁLL als Saretzki präsentierten sich mit makelloser Leistung. Kurzweilig wie immer gab Jürgen SACHER den Triquet.

Wenig erfreulich war das Dirigat von Karen KAMENSEK. Weniger sängerbezogen zu dirigieren, ist kaum möglich. Dieser Interpretation fehlte es zudem an Gespür für Tschaikowskis Musik. Hinzu kam eine beinahe schon gruselige Verfassung der PHILHARMONIKER. Die Blechbläser patzten an jedem Abend dieser Serie an den gleichen Stellen, und ganz allgemein klang das Orchester wenig präzise und farblos.

Der CHOR litt hörbar unter dem Dirigat, und so kam es auch an diesem Abend zu einigen Unstimmigkeiten in Tempiwahl und Einsätzen.

Den Solisten ist ein ausgesprochen schöner Opernabend zu danken. Es bleibt die Hoffnung auf mehr russische Oper in den nächsten Spielzeiten. AHS