"RIGOLETTO" - 15. März 2011

Es hätte ein großer Abend werden können, doch vier Dinge hinderten dieses. Da ist zum einen die eigentlich jede Form von emotionaler Beteiligung des Publikums in lähmender Langeweile erstickende Inszenierung von Andreas HOMOKI, die auch nach über sechzehn Jahren sich nicht abgeschliffen hat. Die stimmungstötende Ausstattung von Wolfgang GUSSMANN verbessert dies auch nicht. Da freut man sich über jeden Moment, in dem Verdi dann doch dank der Sänger über die szenische Tristesse siegt.

Zum zweiten waren die PHILHARMONIKER HAMBURG ein weiteres Mal in geradezu gruselig schlechter Verfassung angetreten. Was ist nur derzeit mit ihnen los? Soviele Verspieler wie in den letzten Wochen bin ich schlichtweg nicht gewöhnt. Es wäre zu hoffen, daß hier endlich wieder Besserung eintritt. Zum dritten war hier die musikalische Leitung von Alexander SODDY, die einfach nur indiskutabel war. Zeitweilig schien nicht nur ich mich zu fragen, wo in der Partitur er eigentlich gerade war, auch dem einen oder anderen Sänger schien sich dies nicht zu offenbaren. Dazu kam noch der Umstand, daß es eines der spannungslosesten Dirigate gewesen ist, das ich in meinem Leben gehört habe.

Zum vierten war da Ismael JORDI als Duca. Er mag zwar einigermaßen rollendeckend ausschauen, aber das reicht nun wirklich nicht. Die Stimme klang kehlig, wird oben dünn und irgendwie kratzig. Man wird auch nicht durch eine schöne Mittellage entschädigt, denn das Timbre ist alles andere als angenehm, oder durch intelligente Phrasierungen, denn alles klingt sehr gleichförmig unangenehm.

Der Rest der Sängerbesetzung konnte allerdings entschädigen. Katerina TRETYAKOVA machte die mißglückte "Fledermaus"-Adele vom Dezember vollkommen vergessen. Sie hat alles, was eine Gilda benötigt, sichere Koloraturen, die kein Selbstzweck oder gar seelenlose Zurschaustellung von Technik sind, sondern mit Leben gefüllt werden, mädchenhafte Ausstrahlung und ein angenehm warmes Timbre. Hier ist sie definitiv auch im richtigen Fach eingesetzt.

Lucio GALLO in der Titelrolle, von der Maske her ein wenig wie eine Mischung aus Quasimodo und Jean Valjean ausstaffiert, gelingt es immer wieder über die szenischen Zumutungen zu siegen, wenn er beispielsweise "Quel vecchio maledivami" im gerade noch hörbaren Piano ausklingen läßt oder im Finalduett mit Gilda. Er durchmißt die Partie mit warmem Bariton ohne Probleme und ist dabei auch in schnellen Passagen außergewöhnlich wortdeutlich.

Als Sparafucile war Jongmin PARK eingesprungen und stellte einen bedrohlichen, mit tiefen Baßtönen und erstklassiger Phrasierung gesegneten Mörder auf die Bühne, bei dem auch plötzlich einmal die im Kostüm offenbar angelegte Idee deutlich wurde, daß es sich hier quasi um das Negativ zu Rigolettos Positiv handeln soll. Cristina DAMIAN war eine fesche Maddalena, die den Herzog im Quartett locker an die Wand spielte und sang mit ihrem dunkel timbrierten, trotzdem aber jung klingenden Mezzo.

Für die kleineren Rollen bot die Staatsoper das Beste auf, was Ensemble und Opernstudio aufzuweisen hat. Jan BUCHWALD, der als Monterone rhythmisch am meisten unter dem unzulänglichen Dirigat zu leiden hatte, schaffte es jedoch trotzdem, seine Flüche so zu gestalten, daß sie in Erinnerung blieben. Juhee MIN als eine sehr präsente Giovanna, sowohl stimmlich, als auch in dem wunderschön ausgespielten Moment, in dem sie Bestechungsgeld vom Herzog fordert.

Borsa Paulo PAOLILLO stahl in der Anfangsszene stimmlich den Herzog glatt die Show (wo kommt nur diese Legion guter, junger Tenöre auf einmal her?), Dong-Hwan LEE (Marullo) und Levente PÁLL (Ceprano und Usciere) schafften es trotz ihrer Kostümierung (wie auch der CHOR schauen sie aus wie gelb-schwarze Pinguine) immer als Individuen erkennbar zu sein. Mélissa PETIT war auffällig gut als Gräfin Ceprano, ebenso ließ Katharina BERGRATH als Page aufhorchen.

Der CHOR der Pinguine, Verzeihung, der Höflinge (Leitung: Christian GÜNTHER) war angemessen homogen. Wenn sie allerdings zwischen Arie und Cabaletta des Herzoges alle gleichzeitig sich springend herumdrehen, um von Gildas Entführung zu berichten, hat das eher Ähnlichkeit mit "Happy Feet" als mit "Rigoletto". MK