"GÖTTERDÄMMERUNG" - 11. März 2012

Mit der "Götterdämmerung" wurde nun der Hamburger Ring-Zyklus zum von Wotan in der "Walküre" bereits gewünschten Ende geführt. Selbiges habe ich auch herbeigesehnt.

Claus GUTH hat es mit seinen bisherigen Inszenierungen immer geschafft, mich massiv zu langweilen. Das Problem ist, daß die Figuren komplett uninteressant sind, und es bestenfalls ein rudimentäres Konzept gibt. Dieses wurde für mich ersichtlich eigentlich erst im "Siegfried" etabliert: Siegfried wuchs bei dem drogensüchtigen Mime auf und ist entsprechend traumatisiert.

Das hat sich in der "Götterdämmerung" nicht geändert. Siegfried hat sich gar nicht weiterentwickelt, sondern ist auf dem Stand eines Pubertierenden stehengeblieben. Dieses ist zwar eine durchaus denkbare Möglichkeit und auch relativ moderat und nicht allzu nervig umgesetzt, trotzdem springt der Funke niemals über. Erst als ein Wotan-Double Siegfrieds Augen für immer verschließt und später ganz am Ende des Finales, wenn Brünnhilde auf den am Fenster sehnsüchtig zu ihr blickenden Siegfried zugeht und zusammenbricht, vermag die Inszenierung kurzzeitig eine Wirkung zu erzielen.

Das unterkühlte Bühnenbild von Christian SCHMIDT, der auch die unspektakulären Kostüme entwarf, lädt die Protagonisten erneut zum Herumgestehe ein - dieses Mal teils auf zwei Ebenen eines irgendwie sich fast ständig in Rotation befindlichen Hauses im 2. Akt.

Sängerisch gab es größtenteils grundsolide Kost. Christian FRANZ (Siegfried) bemühte sich um Differenzierung und ging dem einen oder anderen hohen Ton aus dem Weg. Seinen nicht wirklich schönen Tenor, der vom Timbre eher ins Charakterfach tendiert, führt er mir persönlich zu "deutsch" durch diese mörderische Rolle.

Catherine FOSTER (Brünnhilde) verfügt über ein absolutes Luxus-Material! Sie hat die schönste Stimme in dem Fach, die ich je gehört habe, eine super Technik und eine bombensichere Höhe. Bedauerlicherweise sind das die einzigen Attribute, die hängengeblieben sind. War sie eigentlich der Grund, daß ich mir diese Aufführung angeschaut habe, da sie mir im "Siegfried" durchweg positiv aufgefallen ist, so vermißte ich doch einiges an Ausdruck. Ihre Eifersucht war kaum zu spüren. Der Schlußmonolog war belanglos, dazu irritierte in dieser Szene ihr Lächeln, das eher dem eines Conferenciers glich. Schade...

Einen prächtigen Heldenbariton ließ Robert BORK als Gunther vernehmen, dessen Kostüm im ersten Akt wirkt, als hätte er es aus einem Rosamunde-Pilcher-Film geklaut. Er lieferte alles in allem eine solide Leistung ab. Gleiches gilt für Attila JUN (Hagen), der in der Hochzeitsszene seine stärksten Momente hatte. Wolfgang KOCH ergänzte ohne sonderlich Eindruck zu hinterlassen als Alberich.

Anna GABLERs Gutrune fiel dadurch auf, daß sie nicht großartig auffiel. Deborah HUMBLE (Waltraute/1. Norn) und Cristina DAMIAN (2. Norn) absolvierten ihre Parts gut, während Helen KWON als 3. Norn einmal mehr unter Beweis stellte, daß Wagner nicht unbedingt ihr Komponist ist. Äußerst homogen kamen die Rheintöchter mit Katerina TRETYAKOVA (Woglinde), Maria MARKINA (Wellgunde) und Ann-Beth SOLVANG (Flosshilde) daher.

Daß der Abend doch nicht so ganz verloren war, lag hauptsächlich an Simone YOUNG, die aus den HAMBURGER PHILHARMONIKERN alles rausholte. Das Blech klang super, wie immer waren die langsamen Passagen nie langweilig, die schnellen nie gehetzt, und Siegfrieds Todesmarsch war ungemein packend. Von hoher Qualität präsentierte sich der CHOR unter Florian CSIZMADIA.

Fazit: Während das Theater Lübeck einen in fast allen Belangen überragenden "Ring" mit einer faszinierenden locker-lässigen Ernsthaftigkeit mit einem durch die Bank weg überwältigend guten Ensemble auf die Bretter zauberte, wirkt der Hamburger wie eine vollkommen unfertige Produktion, der musikalisch leidlich unspektakulär ist und dessen Stärke lediglich bei Falk Struckmann (Wotan/Wanderer) und Simone Young zu finden ist. Ich habe schon weitaus spannendere halbszenische Aufführungen gesehen... WFS