"LA BOHÈME" - 27. März 2012

Sie kam, sah - und sang! Wirklich sicher war ich mir da bei Angela GHEORGHIU nämlich vorher nicht, wirkt sie doch häufig so, als habe sie Ceaucescus Rumänien zumindest in puncto Inszenierungen nie verlassen. Und die Produktion von Guy JOOSTEN spielt nun einmal in der Jetzt-Zeit mit sehr heutigen Jungkünstlern irgendwo zwischen Kultur, Kiez und Absturz.

Aber sie schien damit kein Problem zu haben, denn sie fügte sich nahtlos ein, ein paar kleine Varianten störten das Konzept nicht; eine immer noch sehr jung wirkende, fragile, eher hilflos bürgerliche Figur, die auch an dem ihr fremden Umfeld scheitert. Die Stimme mag nicht mehr ganz so jugendlich-frisch geklungen haben wie bei ihrem einzigen Hamburger Auftreten (ebenfalls als Mimi) 1995, doch die gesangliche Extraklasse ist geblieben, die makellose Technik mit der perfekten Registerverblendung, die raffinierte Phrasierung - und die Kunst mit kleinen Akzenten größtmögliche Wirkung zu erzielen. Alles in allem ein eher leises (womit nicht mangelndes Volumen gemeint ist), unaufdringliches und gerade deshalb höchst wirkungsvolles Rollenportrait.

Erfreulicherweise konnten die Partner daneben weitestgehend bestehen. Giuseppe FILIANOTI schien beim Rodolfo unendlich besser aufgehoben als bei Hoffmann oder Faust, wo er mit forcierter und dadurch in den Höhen permanent gefährdeter Tongebung keine wahre Freude war. Auch hier gab es am Anfang ein paar arg harte Töne, doch spätestens ab der "in tono" und mit einem strahlenden C gesungenen Arie waren sämtliche Probleme verschwunden, Dazu gesellten sich eine extreme Wortdeutlichkeit und sein ja immer vorhandenes Spieltalent, mit dem er im ersten Akt einen wundervoll "gespielten" Macho auf die Bühne stellte, der Mimis Anmache (bei Joosten ist sie es, die mit ausgepusteter Kerze und Leidensmiene sein Interesse zu erregen versucht) fast schon parodistisch konterkarierte. Die restlichen Akte agierte er konventioneller, ohne dabei an Präsenz zu verlieren.

George PETEAN ließ sich mit warmem Bariton als Marcello der Luxusklasse vernehmen (nach dem Duett im 4. Akt gab es verdienten Zwischenapplaus), und Adrian SAMPETREAN (Colline) verlieh seiner ganz auf differenzierte Phrasierung angelegten Mantelarie viel Gefühl ohne ins Gefühlige abzurutschen.

Der Schaunard von Moritz GOGG kam daneben ein bißchen trocken über die Rampe, aber sein überdrehter Musikus ist als Figur einfach schön. Einzig die Musetta hätte ich mir klanglich variabler gewünscht; sicher, Katerina TRETYAKOVA sang die Partie mühelos, aber das Organ klang einfarbig hart.

Im Graben waltete ALEXANDER Soddy, zu Beginn recht schwungvoll um beim Eintritt des Soprans geschickt auf deren auf weiteres Ausschwingen der Stimme angelegte Tempovorstellungen einzugehen; ein guter Sängerdirigent, dessen Nachgiebigkeit nicht auf Kosten der Dramatik und des großen Bogens ging. Im ORCHESTER lief am ersten Abend der Mini-Serie trotz hörbar intensiven Engagements nicht alles rund, was dem insgesamt positiven Eindruck aber nicht wirklich schadete. HK