"MANON LESCAUT" - 14. Januar 2013

Romantisches Drama mit ohne Anfassen

Bisher hatte es sich nicht ergeben, sich "Manon Lescaut"-Produktion aus dem vergangenen Jahr einmal anzuschauen. Es fehlte irgendwie der Antrieb dazu, was eine Umbesetzung der Tenorpartie nun änderte.

War es ein Omen oder Zufall, daß diese Produktion am 1. April vergangenen Jahres Premiere hatte?

Gespielt wird in einem Einheitsraum mit mal mehr und mal weniger Stühlen, dessen Wände beweglich sind und auch mal Fotos oder Spiegel zeigen (Bühnenbild: Johannes LEIACKER). Gefüllt wird der Raum zwar von Zeit zu Zeit mit Personen, doch irgendwie trotzdem kaum mit Leben. Den Kostümen von Gesine VÖLLM nach zu urteilen, könnte es sich um einen (mißglückten) Versuch von Commedia dell'arte handeln. Weshalb der bedauernswerte Des Grieux allerdings den gesamten Abend auf der Bühne verbringen muß, bleibt offen.

Soweit zu erkennen, schauen sich die beiden Protagonisten nicht ein einziges Mal an. Die Momente, in denen sie sich berühren dürfen sind rar. Sie gehörten zudem nicht zu den emotionalen Höhepunkten des Abends. Haben Regisseure vor lauter Beleuchten des psychologischen Hintergrunds tatsächlich zum großen Teil verlernt, einfach eine Geschichte zu erzählen?

Philipp HIMMELMANN bringt in seiner Inszenierung zwar die notwendigen Puzzleteile auf die Bühne. Ein Gesamtbild entsteht daraus aber nicht, und so wünscht man sich beinahe eine konzertante Aufführung. Da gäbe es dann auch ein Einheitsbühnenbild und Stühle, aber die Sänger wären wenigstens nicht an irgendein entfremdendes Konzept gebunden.

Norma FANTINI sang die Titelpartie. Man hörte lauter richtige Töne, und es ist sicherlich persönliches Empfinden, wenn hier keine weiteren Emotionen ankamen. Ganz generell schienen die Momente der eitlen, selbstzentrierten Manon glaubhafter als die emotionalen Ausbrüche des liebenden und leidenden jungen Mädchens.

Hauptgrund für den Vorstellungsbesuch war der als Des Grieux eingesprungene Marcello GIORDANI. Nach einem etwas verhaltenen Beginn steigerte sich er sich zu einer großartigen musikalischen Interpretation, die alle Statik zu der Des Grieux in dieser Inszenierung verdammt scheint, wettmachte. Hier hörte man, was man bei Manon so vermißte: die Emotionen in der Stimme und den Mut zum stimmlichen Risiko. Schade, daß dies wohl ein eher einmaliger Besuch gewesen sein wird.

Als hervorragender Sänger und berüchtigter Szenendieb ist Lauri VASAR bekannt. Sein (fast) lupenreiner Spagat kam dann doch etwas überraschend. Er gab Lescaut sowohl stimmlich, als auch in der Darstellung eine Jugendlichkeit, die man nicht immer in dieser Partie sieht, die aber hervorragend ins Stück paßt.

Dovlet NURGELDIYEV nutzte seine herausragenden gesanglichen wie darstellerischen Fähigkeiten, um trotz des absurden Kostüms die Partie des Edmondo kurzerhand aufzuwerten. Ayk MARTIROSSIAN sang als Geronte grundsolide und gab spielfreudig den alten Galan. Es steht zu hoffen, daß seine im Werden begriffene positive stimmliche Entwicklung so weitergeht. Levente PALL durfte als Comandante di Marina diesmal nur ganz kurz ran, war aber ausgesprochen präsent.

Es war vor allem auch ein Abend des Opernstudios. Mit einem großartigen Szymon KOBYLINSKI (L'Oste), der trotz seiner nur kurzen Auftritten positiv auf sich aufmerksam machte, und der ebenso großartigen Ida ALDRIAN (Un Musico), mit Manuel GÜNTHER (Un Lampionaio), der überraschend italienisch klang, und Sergiu SAPLACAN (Il Maestro di Ballo), der das versuchte, sowie Thomas FLORIO (Un Sergente) mit gut klingender Stimme und Turnerqualitäten.

Der CHOR (Leitung: Christian GÜNTHER) hatte einen eher mittelprächtigen Abend, was wohl zumindest teilweise dem Dirigat geschuldet war. Man hat schon wesentlich bessere Abende unter der Leitung von Asher FISH gehört. Diesmal kam es zu Unstimmigkeiten zwischen Graben und Bühne, und auch eine gewisse Schludrigkeit seitens der PHILHARMONIKER war nicht zu überhören. Schön gelungen war das Intermezzo, doch dieser Moment war vorbei, sobald der Vorhang sich hob.

Es war mitnichten ein verschenkender Abend, sondern einer, der erneut gerade die Qualität des hauseigenen Ensembles bewies. Es steht zu hoffen, daß diese Standards auch unter der nächsten Intendanz Bestand haben werden. AHS