"LA BATTAGLIA DI LEGNANO" - 23. Oktober 2013

Die Hamburgische Staatsoper feiert Verdi zu Beginn dieser Spielzeit mit Neuproduktionen drei seiner frühen Werke.

Das mit einem solchen Vorhaben beinahe automatisch einhergehenden Schmähens von Verdis angeblich dramatisch schwachbrüstigen Frühwerken durch das Feuilleton ignoriert man am besten (Pathetisch? Ja, und? Warum nicht?). Wer sich nicht mit dem Stück an sich und vor allem nicht mit der über weite Strecken bereits sehr ausgefeilten musikalischen Umsetzung auseinandersetzen mag, könnte das nächste Mal vielleicht einfach die Eintrittskarte jemanden überlassen, den Werk und Musik interessieren. Die Kartennachfrage war hoch genug, daß sich sicherlich ein dankbarer Abnehmer gefunden hätte.

Wie auch immer, begonnen wurden diese Verdi-Wochen mit "Il Battaglia Di Legnano".

Versehen mit einer militärgeschichtlichen und patriotischen Rahmenhandlung erzählt diese Oper eine klassische Dreiecksgeschichte. Auf dem Weg in die Schlacht gegen Kaiser Friedrich Barbarossa zieht Arrigo, der angeblich in einem vorgehenden Kampf getötet wurde, in Mailand ein. Hier findet er seine große Liebe Lida als Ehefrau seines Freundes Rolando wieder. Letzterer ahnt nicht, daß Lida und Arrigo sich einst die ewige Treue versprochen hatten.

Während sich die Offiziellen noch beraten, wer wen unterstützt (ob Como nun mit der lombardischen Liga oder doch mit dem Kaiser agiert), entspinnt sich, immer wieder auch von Marcovaldo, der als Gefangener in Rolandos Haus lebt und sich die Tage mit Intrigen vertreibt, entfacht, besagte Dreieckgeschichte, die darin gipfelt, daß Arrigio sich den "Todesrittern", einer Art Kamikazeeinheit, anschließt, und Rolando ihn gemeinsam mit Lida in einem Turmzimmer einschließt, damit der Freund dem Ruf zu den Waffen nicht folgen kann, womit dieser als Feigling und Verräter gelten würde.

Arrigo entkommt mittels waghalsigen Sprung vom Balkon, wird in der folgenden Schlacht tödlich verwundet, wobei er vor seinem Tod Rolando noch von Lidas Ehrenhaftigkeit überzeugt.

Gebettet ist diese Geschichte in eine Musik, die neben ersten Anklängen späterer Werke des Komponisten, an manchen aber doch eher nach Donizetti oder Bellini klingt als nach Verdi. Es ist also ein Werk ganz aus der italienischen Musikgeschichte heraus, das man eigentlich nicht verstecken muß.

Simone YOUNG ließ an diesem Abend ein wenig ihr sonst untrügliches Gespür für diese Art der Musik vermissen. Zu analytisch, zu mathematisch klang es aus dem Graben. Eine echte Verdi-Atmosphäre mochte so nicht aufkommen, obwohl die PHILHARMONIKER HAMBURG sich in ausgezeichneter Form befanden.

Auch in besetzungstechnischer Hinsicht gab es wenig, was uns begeistern konnte. Yonghoon LEE versuchte als Arrigo ohrenscheinlich, einen Lautstärkewettbewerb zu gewinnen, und vergaß beim möglichst langen Aussingen der hohen Töne leider alle weiteren stimmlichen Gestaltungsmöglichkeiten. Verdis Held klang somit ausgesprochen eindimensional. Da sich der Tenor auch ansonsten mit der Gestaltung der Figur schwertat, blieb es hier beim Rampestehen, Händeringen und Umhergehen. Bejubelt wurde er am Ende trotzdem. Hauptsache laut, eben.

Besser war es hier um Giorgio CAODURO, den Rolando dieser Produktion, bestellt. Die Partie kommt zwar gefühlt noch etwas zu früh für diesen Sänger, doch er ist bereits auf dem besten Weg zu einem guten Verdi-Interpreten, wie die Arie Rolandos und die dazugehörige Cabaletta bewiesen. Der Bariton investierte viel in die Darstellung seiner Figur und deren Entwicklung, blieb aber damit relativ allein, da von seinen Partnern kaum etwas zurückkam.

Hoffnungslos überfordert war Alexia VOULGARIDOU mit der Partie der Lida. Ihre Stimme kiekste an vielen Stellen und ließ zu oft die so wichtige Geläufigkeit vermissen. Den Sopranpartien in Verdis frühen Opern kann mich sich entweder mit technischer Brillanz oder Verve nähern, optimal wäre natürlich beides. Frau Voulgaridou zeigte jedoch keine dieser beiden Möglichkeiten und war so zwischen lautem Tenor und dem um Differenzierung bemühten Bariton verloren.

Tigran MARTIROSSIAN war als Federico Barbarossa mit feuerrotem Haupthaar und Bart, den bekannten Attributen jenes Kaisers, geschlagen, gab der eher als Stichwortgeber fungierenden Figur aber einen ausgesprochen beeindruckenden Auftritt, der durchaus noch hätte länger dauern dürfen.

Ebenfalls zu beeindrucken wußte Viktor RUD - wenn auch nur im Spiel. Sein Marcovaldo besaß eine von dem Sänger bisher selten gezeigte Präsenz (bis hin zum Szenendiebstahl). Wenn hier noch mehr an der Durchschlagskraft der Stimme gearbeitet werden würde, wäre hier der Weg zu einem guten Sänger geebnet.

Von den kleineren Rollen holte Rebecca Jo LOEB alles aus der Imelda heraus, während Manuel GÜNTHER als Knappe Arrigos erneut positiv auffiel. Sergiu SAPLACAN (Herold) sowie Vincenzo NERI und Alin ANCA (Konsuln) ergänzten solide. Die Krone hier gebührt jedoch Szymon KOBYLINSKI als Podestà von Como, der nicht nur seine schöne Baßstimme hören ließ, sondern zudem ein darstellerisches Kabinettsstückchen eines feigen subalternen Beamten ablieferte.

Der CHOR, erstmals für eine Neuproduktion vom neuen Chordirektor Eberhard FRIEDRICH einstudiert, zeigte eine großartige Leistung. So homogen, voller Elan und Leidenschaft hat man ihn lange nicht gehört.

Verglichen mit den Inszenierungen italienischen Opern, mit denen man an der Staatsoper während der letzten beiden Intendanzen so geschlagen war, kann man diese von David ALDEN eigentlich nur als positiv bewerten. Sie ist, soweit wir sie aus der Loge im 4. Rang überhaupt verfolgen konnten, ausgesprochen langweilig, doch sie verzichtet trotz zeitlicher Verlegung in die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts auf jegliche Mätzchen. Allein das ist eine enorme Erleichterung. Es wäre jedoch erfreulich, wenn auch soetwas wie Personenregie stattgefunden hätte, anstatt nur Rampensingen und das "Jeder-tut-das-was-er-kann".

Den Chor mit Noten, aber keiner Bewegung zu versehen, wirkt eher hilflos, als daß die im Programmheft bemerkte Funktion als "griechischer Chor" sich irgendwie erschlösse.

Das Bühnenbild (Charles EDWARDS) konnten wir nur ansatzweise erkennen. Es soll hier ein durchgängiges Konzept für alle drei Oper geben. Teil davon ist offenbar, daß der Chor auf einer Art Theaterbalkon rauf- und runtergefahren wird. Akustisch ist das nicht nur gelegentlich problematisch.

Die Lichtregie von Adam SILVERMAN beschränkte sich von unserem Platz aus gesehen auf hell und dunkel. Die Kostüme waren von Brigitte REIFFENSTUEL in gedeckten Tönen gehalten und paßten in die späten zwanziger, frühen dreißiger Jahre des letzten Jahrhunderts. Warum allerdings Kostümbildner diesen schon häufig beobachteten Hang dazu haben, Frauen in extrem unkleidsame Winkelkleider und zu enge Kostüme zu stecken und sie dadurch sehr matronenhaft wirken zu lassen, ist unverständlich.

Die Choreografie (vermutlich der Kampfszene, ansonsten war da wenig zu beobachten) hatte Maxine BRAHAM übernommen. Sie bot wenig Stoff für Aufregung, sowohl im positiven als auch negativen Sinne.

Die erste Live-Begegnung mit diesem Werk ist nicht zu bedauern, auch wenn eine bessere Umsetzung vorstellbar wäre. MK & AHS