"I DUE FOSCARI" - 30. Oktober 2013

Als zweiten Teil der Hamburger Verdi-Trilogie hat man "I due Foscari" ausgewählt. Unbestritten eine gute Wahl, allerdings hätte man das Programmheft unbedingt mit einem Warnhinweis versehen müssen. Dieses frühe Werk Verdis kann den Zuhörer nämlich emotional ausgesprochen mitnehmen.

Geschrieben nach einer Tragödie von Byron steht hier ein Vater-Sohn-Konflikt im Vordergrund. Francesco Foscari, der mehr seinem Amt als Doge von Venedig verhaftet ist als seinem Dasein als Vater, verliert zuerst seinen Sohn Jacopo, der den erneuten Weg in die Verbannung nicht verkraftet, dann sein Amt und darüber schließlich sein eigenes Leben.

Der zweite Abend der Serie wurde primär von den Protagonisten auf der Bühne getragen, die jeder für sich, aber gerade auch in den gemeinsamen Szenen die Vorstellung zu einem besonderen Operngenuß werden ließen. Hier stimmten die gesangliche und darstellerische Komponente, das Timing. Man stand gemeinsam im Dienst des Werks, ohne sich auf Kosten der Kollegen profilieren zu wollen.

Auch die musikalische Leitung klang diesmal mehr nach Verdi als noch im "Battaglia". Simone YOUNG gab Orchester, Chor und Sängerensemble mehr Raum, mehr Zeit für die typischen Bögen und Phrasen. Zudem hatte man den Eindruck, daß sie sich erlaubte, einfach auch mal loszulassen, anstatt eine übermäßig kontrollierte Interpretation zu zeigen. Die tadellos musizierenden PHILHARMONIKER HAMBURG folgten ihr dabei und spielten hörbar befreiter und gelöster auf.

Die Inszenierung von David ALDEN war unauffällig. Die fehlende Personenregie fiel nicht ins Gewicht, da es hier ausreichend Sänger gab, die Kraft ihrer Präsenz die Bühne zu füllen vermochten. Das Stück im faschistischen Italien anzusiedeln, brachte weder besondere Einsichten, noch wurde es so aufdringlich dargeboten, daß es großartig stören konnte.

Das Bühnenbild von Charles EDWARDS war größtenteils trist und funktional mit der schon aus der "Battaglia" bekannten Verbannung des Chors auf einen Balkon, lediglich das Kerkerbild konnte Stimmung erzeugen mit der schmalen Tür weit oben und der langen Treppe nach unten.

Die Kostüme (Brigitte REIFFENSTUEL) reichten vom klassischen, üppigen Dogengewand bis zum 40er Jahre-Schick für die Damen plus einer Evita-Frisur für Lucrezia. Das Licht wurde von Adam SILVERMANN gestaltet und wechselte auch hier nur zwischen einigermaßen hell und zu dunkel. Die Choreografie von Maxine BRAHAM blieb auch hier wenig in Erinnerung.

Um so erinnerungswürdiger die Leistungen der Sänger.

Andrzej DOBBER hat mit Francesco Foscari wohl seine Rolle gefunden. Der streckenweise recht eigene Charakter seiner Stimme gepaart mit dem sich über die Jahre immer weiter entwickelten satten Klang in Mittellage und Tiefe passen ausgesprochen gut zur Figur des Dogen. Hinzu kommt eine ausgefeilte Darstellung der zerrissenen Figur, die an dem Konflikt zwischen Pflicht und Vatersein allmählich zerbricht. Jede Geste, jede stimmliche Facette wirkte, obwohl ganz sicher durchdacht, so natürlich als würde es in eben jenem Moment geschehen.

Jacopo Foscari wurde von Giuseppe FILIANOTI verkörpert. Der Tenor hat noch immer ein außergewöhnlich schönes Timbre, was hier, wesentlich besser als in den zuletzt gehörten französischen Partien, optimal zur Wirkung kam. Die etwas angegriffen klingende Stelle im Passagio fiel nur zu Anfang auf, danach floß die Stimme wunderbar dahin. Gerade auch in der Vision während der Kerkerszene vermochte der Sänger zu packen.

Als Jacopos Frau Lucrezia Contarini erbrachte Amarilli NIZZA eine grandiose Leistung. Nach einer wenig aufregenden Lady Macbeth vor einigen Jahren verströmte sie die Vehemenz dieser starken Frau geradezu im Überfluß. Die Stimme hatte für jeden emotionalen Zustand Lucrezias von Trauer, Verzweiflung und Liebe bis zu unbändiger Wut die richtige Farbe. Auch technisch gab es nichts zu bemängeln. Der Auslöser der Tragödie Loredano dürfte bis an sein Ende sich nie wieder sicher fühlen, nachdem diese Frau ihm Rache geschworen hat.

Ziyan ATFEH war ein stimmlich guter, hin und wieder sogar beeindruckender Jacopo Loredano, blieb aber in den meisten Szenen in der Darstellung eher unauffällig. Man vermißte den Gegenpart, die Bedrohung der Macht des Dogen. Sie waren da diese Momente, aber hier wäre definitiv noch mehr möglich gewesen, und so fragte man sich baßpatriotisch, weshalb es hier unbedingt ein Gast hatte sein müssen.

Pisana, die Freundin Lucrezias, war aufgewertet worden, einmal durch die stimmliche Leistung von Maria MARKINA, zum anderen auch szenisch. Daß sie allerdings von Loredanos Schergen entführt und dann von Lucrezia wenig nachvollziehbar aus einem Schrank befreit werden mußte, wirkte eher, als sei dem Regisseur, nachdem er einen brutalen Polizeistaat zeigen wollte, plötzlich eingefallen, daß die Figur ja noch etwas zu singen habe.

Dovlet NURGELDIYEV als Barbarigo profilierte sich wieder einmal auch in einer kleineren Rolle, insbesondere als er in den letzten Szenen nach Jacopos Tod in den Ensembles den Tenorpart übernehmen konnte und hier mit den Hauptpartien spielend mithielt. Sergiu SAPLACAN konnte als sadistischer Fante di Consiglio nicht nur darstellerisch überzeugen, sondern konnte sich aus gesanglich hören lassen.

Der CHOR DER HAMBURGISCHEN STAATSOPER unter Leitung von Eberhard FRIEDRICH wiederholte seine glänzende Leistung aus dem "Battaglia di Legnano" und trug seinen Teil zu der sich am Ende lautstark entfaltenden Begeisterung bei.

Ja, die nächsten Jahre steht kein Verdi-Jubiläum an. Aber die Hamburgische Staatsoper hat seit langem nicht mehr so beim Beifall getobt, die Vorstellungen sind ausverkauft. Sollte das nicht ein Argument sein, das Stück wieder aufzunehmen? MK & AHS