"ARIADNE AUF NAXOS" - 19. November 2013

"Ariadne auf Naxos" zählt offenbar zu den populärsten Stücken an der Hamburgischen Staatsoper. Die Oper wurde seit der Hamburger Erstaufführung 1913 inklusive dieser Aufführung 239 Mal in zehn Produktionen gespielt! Und das trotz einer gut achtzehnjährigen Pause zwischen der letzten Aufführung der vorherigen Inszenierung und der Premiere 2012.

Die Regie von Christian STÜCKL kommt etwas ambivalent daher. Ist sie im Vorspiel durchaus ansprechend (aber was kann man da schon falsch machen?), vermag sie mich in der Oper nicht wirklich zu überzeugen. Es hat sich mir nicht so recht erschlossen, ob es sich um ein Theater im Theater gehandelt hat, oder ob das ganze Geschehen auf der Bühne für das normale Publikum die Aufführung darstellen soll. Jedenfalls rennen teilweise die Personen des Vorspiels noch auf der Bühne herum. Auf der Bühne befindet sich eine weitere Tribüne, zudem Publikum, welches allerdings zum Großteil hinter der Bühne sitzt. Die erste Reihe VOR selbiger ist u.a. für die Nymphen vorgesehen, welche ziemlich nervige Zuschauer darstellen. Dieser Kniff gefiel mir sehr gut. Die ständig nach Zerbinetta geifernden Zuschauer jedoch weniger...

Die eigentliche Oper fand auf einer sehr kleinen Spielfläche statt, auf welcher sich auch nur Ariadne, Doubles (?) von ihr und die Komödianten befanden. Letztere waren wohl lustig gemeint, störten aber eher durch die zu aufdringliche Art, sowie die quietschgelben Anzüge und "Jackson Five" (hier eher Four)-Gedächtnisperücken. Ein Glück, daß immerhin zwei von ihnen für mächtig Spaß sorgten. Bacchus' Regieanweisung lautete vermutlich: "Steh' auf dem großen Boot und sing'". Ob es nun allerdings so clever war, ihn langsam während seiner Arie reinzuziehen, so daß er die Hälfte der Zeit so ungünstig positioniert war, daß der Ton nach oben verschwand, darf bezweifelt werden. Wann und ob die Zuschauer in den Rängen ihn zu sehen bekamen, ist mir nicht bekannt. Für das Bühnenbild und die Kostüme zeichnet Stefan HAGENEIER verantwortlich. Letztere konnten eher bei den Damen punkten. Der Mantel von Bacchus stammte vermutlich aus der Konkursmasse eines Zuhälters. Das Kostüm von Ariadne war im Vorspiel wenig schmeichelhaft, dafür in der Oper umso mehr.

Daß der Abend sich dennoch gelohnt hat, ist insbesondere den Sängerinnen zu verdanken, die sich allesamt auf einem sehr hohen Niveau präsentierten. Allen voran Katja PIEWECK, die nach Jahren mit kleinen Partien endlich mal richtig große Rollen bekommt. Wie oft hat sie als Annina schon die Violetta in Grund und Boden gesungen? Ihre Primadonna war eine wundervoll blasierte Diva, die wohl einen Tobsuchtsanfall bekommt, wenn das Klopapier sich farblich mit der Tapete im Foyer beißt. Als Ariadne bestach sie durch eine herausragende, Gänsehaut bereitende Interpretation. Sie war eine gebrochene Frau, die aber dennoch irgendwo Hoffnung hatte. Nicht mehr lange, und sie wird sich als hochdramatischer Sopran etabliert haben.

Das Highlight des Vorspiels war Maria MARKINAs Komponist, den sie mit der richtigen Portion Verzweiflung äußerst glaubwürdig rüberbrachte. Allerdings forcierte sie in der Vollhöhe manchmal zu stark, so daß der Ton mitunter etwas hart wirkte. Dazu kommt das kleine Manko, daß sie ein sehr mädchenhaftes Gesicht hat, wodurch man ihr optisch Hosenrollen nicht so ganz glaubt. Aber dafür kann sie ja nichts, und sie kompensiert es durch ihren Gesang sehr gut.

Olga PERETYATKO, die nach ihrer Zeit im hiesigen Opernstudio eine durchaus veritable Karriere vorzuweisen hat, gestaltete die Zerbinetta superb. Die Verzierungen gerieten nie zum Selbstzweck, sondern ergaben bei ihr Sinn.

Peter SEIFFERT verfügt über ein gerade in dem Fach sehr schönes Timbre sowie über die Kraft und Technik, die doch ziemlich schwere Partie des Tenor/Bacchus ohne Probleme durchzustehen, blieb aber der Rolle so einiges schuldig. Weshalb Ariadne sich nun ausgerechnet für den entscheidet, erschloß sich mir nicht.

Levente PÁLL (Haushofmeister) und Jürgen SACHER (Tanzmeister) werteten das Vorspiel neben Markina auf, während Vincenzo NERI (Perückenmacher) nicht weiter auffiel und Franz GRUNDHEBER als Musiklehrer mich nicht so sehr störte wie in Opern, in denen er zu singen hat.

Sollte es den Straftatbestand des Szenendiebstahls geben, würde Chris LYSACK (Scaramuccio) sicherlich zur Höchststrafe verurteilt werden, welche hoffentlich die Auflage beinhielte, größere Partien zu singen (Rossini,...). Das bißchen, was er auf der Bühne zurück ließ, sammelte Christoph POHL (Harlekin) ein, der für Moritz Gogg einsprang. Jun-Sang HAN ergänzte solide als Birghella, während Alin ANCA (Truffaldin) total blaß blieb.

Die Nymphen hingegen sangen auf konstant hohem Niveau, allen voran Katerina TRETYAKOVA als Najade, die auf ihre Lucia richtig viel Lust machte. Die anderen beiden wurden von Rebecca Jo LOEB (Dryade statt Ida Aldrian) und Gabriele ROSSMANITH (Echo) gesungen.

Axel KOBER leitete die glänzend disponierten HAMBURGER PHILHARMONIKER äußerst präzise und schön schmalzlos. Allerdings wäre es ein bißchen weniger Lautstärke angebracht gewesen, worunter gerade Markina etwas zu leiden hatte. WFS