Harry KUPFERs Inszenierung von Puccinis "Trittico" wurde in diesem Herbst wiederaufgenommen. Noch immer ist der "Tabarro" am problematischsten, denn dort erscheint mir das Bühnengeschehen regelmäßig zu versanden.

Außerdem hat Hans SCHAVERNOCHs Seinekahn das Problem, daß die qualvolle Enge, die ja Giorgetta besonders belastet, nicht deutlich wird; ich vermute mal, daß der Ausstatter über nicht sonderlich viel Erfahrung mit Binnenschiffen verfügt.

An die von der Ausstattung her etwas sterile "Suor Angelica" kann man sich nach mehrmaligem Ansehen gewöhnen, obwohl ich nicht wissen möchte, wie sie wirkt, wenn weniger charismatische Sänger auf der Bühne stehen. "Gianni Schicchi" ist sicherlich der Höhepunkt auch dieses "Tritticos": auch wenn es das eine oder andere gibt, was anders denkbar wäre, diese Inszenierung macht einfach gute Laune mit ihrer fast durchchoreographierten Personenregie.

Dirigiert wurde der Abend vom Ex-GMD Gerd ALBRECHT, der entgegen seiner früheren Gewohnheit, besonders in der "Angelica" das Orchester zu laut spielen zu lassen, diesmal deutlich mehr Rücksicht auf die Sänger nahm und den Abend routiniert leitete. Auch das Orchester war tadellos.

In "Il Tabarro" war diesmal Wolfgang BRENDEL der Michele mit wohlklingendem, gut geführtem Bariton. Was fehlte, war eine wirkliche Rollenidentifikation mit der Figur. Susan NEVES als Giorgetta war da präsenter, sie sang auch gut, aber die Rolle verträgt durchaus noch etwas mehr Lebenshunger. Gabriel SADÉ (Luigi) konnte hingegen überhaupt nicht überzeugen. Er stand meist ziemlich unbeteiligt herum, seine Höhen waren verengt, und weder Phrasierung, noch Timbre konnten verständlich machen, was Giorgetta an ihm findet. In den kleineren Rollen fielen Yvi JÄNICKE und Jürgen SACHER als Frugola und Tinca scharf charakterisierte und exzellent singende Underdogs auf, während Johann TILLI als Talpa ein wenig dagegen abfiel.

In "Suor Angelica" ist die Titelrolle mit der grandiosen Miriam GAUCI besetzt. Jede Nuance dieser Figur wird von ihr stimmlich und darstellerisch ausgelotet, ihre Selbstmordszene läßt einem vor Intensität den Atem stocken. Die Arie "Senza mamma" singt sie fast vollkommen im Piano, was die Verzweiflung Angelicas noch greifbarer macht. Als eiskalte Fürstin mit vollkommen intakter Stimme erscheint Helga DERNESCH. Es ist ein großartiger Moment, wenn diese beherrschte Frau sich tatsächlich ob der Gefühlsausbrüche ihrer Nichte einen kurzen Augenblick des Angerührtseins gönnt. Die restlichen Nonnen sind allesamt gut besetzt, aus ihnen heraus ragt Gabriele ROSSMANITH als Schwester Genoveva, deren Stimme in der letzten Zeit offenbar deutlich gewachsen ist, ihren mädchenhaften Klang allerdings erhalten hat.

Sie singt auch im "Gianni Schicchi" Lauretta, die hier ein Teenager in Jeans ist, der ganz genau weiß, wie er seinen "babbino caro" um den Finger wickeln muß und nicht daran denkt, sich zum Vogelfüttern abschieben zu lassen, sondern lieber weiter mit Rinuccío (Vincente OMBUENA darstellerisch engagiert und stimmlich bis auf einen kleinen Wackler zu Beginn diesmal ohne Tadel) herumknutscht. Dale DUESING ist ein Schicchi im besten Mannesalter, Typ Vorstadtmafioso, der es genießt, im Mittelpunkt zu stehen und weiblichen Reizen nicht abgeneigt ist. Frühere gelegentliche Übertreibungen waren an diesem Abend nicht vorhanden, seine Stimme macht alle Verstellungen mit, ohne an Klang zu verlieren. Buosos gierige Verwandtenschar wird angeführt von Helga DERNESCH als Zita, der diese Rolle sichtlich und hörbar viel Spaß bereitet. Carl SCHULTZ als rollstuhlfahrender Betto, Jürgen SACHER als herumgockelnder Gherardo, Renate SPINGLER als wohlklingendes Mauerblümchen Ciesca und Dagmar HESSE als ebenso wohlklingende femme fatal Nella sowie Johann TILLI (Simone), Klaus HÄGER (Marco), Dieter WELLER (Spinelloccio) und Ude KREKOW (Notar) ließen im Haus eine Stimmung aufkommen, die ich in der letzten Zeit schmerzlich vermißt habe. MK