Foto: Andreas Hartmann

Am letzten Juni-Wochenende verschlug es uns nach Hildesheim, wo als letzte Premiere der Spielzeit 1999/2000 "The Man of La Mancha" von Dale Wassermann und Mitch Leigh zur Aufführung gelangte.

Wolfgang LACHNITT (Regie & Choreographie) und Dieter BODE (Bühnenbild & Kostüme) gaben Miquel Cervantes, der die Geschichte von Don Quixote erzählt und spielt ein stählernes Korsett als Spielort. Das Gefängnis, der Raum, in dem die Zweithandlung entwickelt wird, erinnert an die düsteren Versionen einer Endzeit-Science Fiction. Es läßt sich trotzdem leicht mit wenigen Requisiten die Illusion der Abenteuer des Ritters von der traurigen Gestalt entwickeln. Die Kostüme dagegen gehören in die Zeit der Handlung, was aber den erwähnten SF-Charakter noch unterstützt.

Man singt und spricht deutsch, was den Dialogen gut tut. Die Songtexte hingegen wurden manchmal ad absurdum geführt ("Mir's jeder recht." Z.B.) Doch es lag in der Macht der Darsteller, dies vergessen zu machen. Gesungen wurde zumeist mit elektronischer Verstärkung.

Maarten GÜPPERTZ entsprach am Anfang als Quixote noch zu sehr dem Gehabe von Cervantes. Doch, ob nun Premierennervosität oder gewollter Effekt, er steigerte sich im Laufe des Abends und trennte beide Figuren deutlicher voneinander. Eine ausgezeichnete Leistung, wie er die Tragik beider Männer über die Rampe brachte. Die Dialoge waren akzentuiert. Die Songs wurden mit einer angenehmen Stimme dargebracht.

Die Aldonza von Susanne DENGLER ist keine schmutzige Heilige. Sie ist ein Wesen aus der Gosse, schmutzig, laut und ordinär. Trotzdem wird irgendwo tief unter der kratzbürstigen Oberfläche der Hure ein empfindsamer Teil ihres Selbsts offenbart. Toll gespielt und gut gesungen!

Anton KUHN, neu im Hildesheimer (Opern-)Ensemble, quirlt als Sancho springlebendig mit manchmal waghalsigen Stunts über die Bühne. Als Cervantes Diener tritt er eher in den Hintergrund, macht aber durch Improvisation die Bühnenträume erst möglich. Sauber gesprochene Dialoge, die nichts von der sonstigen Dialogarmut einer Opernbühne zeugten, gepaart mit dem klaren Tenor des Sängers.

Dem Wortführer der Gefangenen und dem schmierige Wirt, den Don Quixote für einen Edelmann hält, wurden von Bernd VERFÜRTH Gestalt verliehen. Auch er beherrscht die Kunst, die beiden völlig unterschiedlichen Rollen mit Bravour auf die Bühne zu stellen. Gleiches gilt auch für Lars WESTRÖM ("Herzog"/Dr. Carrasco) und Klaus-Dieter JÜNGLING, wobei ersterer das spannende Rollenbild eines Zynikers in beiden Ebenen mit darstellerischer Eleganz zeichnete und letzterer der katholischen Kirche Spaniens des betreffenden Jahrhunderts ganze neue Nuancen gab.

Auch das restliche Ensemble brach in seiner Qualität eine Lanze für Hildesheim. Zumeist gelang es den Künstlern, ihrer jeweiligen Rolle einen ganz eigenen Charakter zu geben. Achim FALKENHAUSEN leitete das Orchester des Stadttheaters. Es klangen zum großen Teil die richtigen Töne aus dem Graben, wobei aber die Blechbläser für manche Ohrenpein sorgten. Gewollt schräg? Hoffentlich!

Resümee des Abends ist, daß auch eine gute gemacht Musicalaufführung zwischen tiefer Tragik und Spaß alle Gefühle menschlicher Wesen auf hohem Niveau über die Rampe bringen kann. AHS