"Cavalleria Rusticana" als Provinzposse - eine Form der Wiedergabe, die Mascagnis bekannteste Oper nicht verdient hat. In der Inszenierung schlecht umgesetzt und musikalisch auch nicht besser bedient, wurde die Premiere, dies sei vorweg gesaqt, vom Hildesheimer Publikum bejubelt.

Der Bühnenraum (bekanntermaßen der Dorfplatz), von hohen weißen Wänden begrenzt und mit einem überdimensionalen Kreuz versehen, sollte sakral wirken, doch macht es wenig Sinn, wenn sich der Chor zum Gebet rechts und links auf diesen Wänden versammelt. Santuzza ist von dieser Gemeinschaft ausgeschlossen. Sie kann nicht am Gottesdienst teilnehmen, denn die anderen würden sich ihr niemals zuwenden, auch nicht in der von Wolfgang LACHNITT (Inszenierung) angedachten Weise. Leider waren auch die Beziehungen zwischen den Personen nicht sorgfältig ausgearbeitet. Zu häufig hatte man das Gefühl, jeder würde nach seinen Fähigkeiten spielen.

Spannung und Dramatik fehlten streckenweise völlig. Wenn das Publikum zu Beginn von Turiddus Abschied von der Mutter zu lachen beginnt, stimmt etwas nicht.

Kathrin HEGEDÜSCH (Bühnenbild/Kostüme) fiel neben Kreuz und weißen Wänden auch nicht viel mehr ein. Als das anfangs auf dem Boden liegende Kreuz von den Dorfbewohnern aufgerichtet wurde, kam eine kreuzförmige mit Erde gefüllte Vertiefung im Bühnenboden zum Vorschein, in die die Frauen des Dorfes Sträucher mit weißen Blüten pflanzten.

Santuzza wurde von Aukse Marija PETRONI vornehmlich durch melodramatische Gesten, bekannt aus der Stummfilmzeit, charakterisiert. Händeringen als Ausdruck von Verzweiflung und Dramatik, Hin- und Herwerfen des Oberkörper als Zeichen für eine fatale Wendung. Fazit: Entweder steckt Santuzza mitten in einer Bewegungstherapie, oder sie ist Anhängerin des Ausdruckstanzes. Dramatischer Höhepunkt ihrer Rolleninterpretation war sicherlich der Schluß des Duetts mit Turiddu, als sie dem Lola Nacheilenden zwei der o.g. Sträucher samt Wurzelballen hinterher schleuderte (soweit es zu erkennen war, ohne ihn zu treffen...). Stimmlich war Frau Petroni überfordert. Sie war aufgrund einer klirrenden Höhe und einem Vibrato als Mittellage zu keiner Zeit in der Lage, den Anforderungen der Rolle gerecht zu werden.

Anton KUHN (Turiddu) fand seinen eigenen musikalischen Weg durch die Rolle, der nur bedingt auch der Weg von Mascagni war. Mit der Original-Notierung wäre der Tenor auch schlichtweg überfordert gewesen, wie man unschwer u.a. an der heiseren Siciliana und dem verunglückten Schlußton hören konnte. Natürlich kam der Eigenversion die Wiedergabe in deutscher Sprache zugute, doch das Zurücknehmen im Spiel zeigte, wieviel Konzentration die stimmliche Umsetzung kostete. Schön waren "Santuzza credimi" und die Szene mit Alfio gestaltet, doch zwangsläufig dachte man darüber nach, ob der Künstler sich mit der Übernahme dieser Rolle einen Gefallen getan hat.

Sehr viel besser war Alfio besetzt. Obwohl Uwe-Tobias HIERONIMI als einziger aus dem Ensemble in beiden Stücken auftrat, zeigte er auch im zweiten Teil des Abends Engagement und Verve. Ihm lag diese Rolle hörbar näher als der Rabbi im "Fritz". Und die Worte "Rösser schnauben, Peitschenknall" tatsächlich auf die vorgegebenen Noten des Auftrittsliedes von Alfio singen zu können, zeugt allein schon von hoher Musikalität.

Das Potential von Lola wurde durch die klischeehafte Typisierung als Dorfhure verschenkt. Hinzu kam, daß die Partie nicht für Miriam MEYERs Kehle geschrieben ist. Geschrieben als Mezzopartie konnte man von dieser Sopran-Besetzung ganz sicher nicht die entsprechenden Töne erwarten. Weniger Klischee war Mamma Lucia. Aleksandra SÖCHTIG stellte eine beherzte, zupackende Frau dar, die Turiddu zu Beginn seines verbalisierten Katzenjammers ersteinmal ein Tablett mit Gläsern in die Hand drückt.

Im Graben fehlte es wie bei der Regie an stringenter Umsetzung. Das ORCHESTER DES STADTTHEATERS HILDESHEIM schmalzte sich unter der Leitung von Werner SEITZER durch das Zwischenspiel, ließ es dafür in den sakralen Szenen an Gefühl fehlen. Den Holzbläsern sei einen Extraprobe empfohlen. Der CHOR, vom EXTRACHOR verstärkt, fiel größtenteils durch Einheitlichkeit auf, zeigte aber nicht die gewohnten Qualitäten.

Italienische Oper in deutscher Sprache auf die Bühne zu bringen, ist sicherlich als Dienst am Publikum gut gemeint, doch sollte man die musikalischen Tücken dieser Aufführungspraxis nicht außer acht lassen. "Cavalleria Rusticana" ist sicher viel schöner und dramatischer, wenn man sie so singt, wie Mascagni sie geschrieben hat. AHS