„CELAN“ - 3. April 2004

Celan zum Dritten: Die dritte Inszenierung nach Dresden (2001) und Mainz (2003) von Peter Ruzickas Opernerstling fand jetzt in Köln statt.

Diese Oper in sieben Entwürfen über den 1970 verstorbenen Dichter will keine lineare Biographie sein, sondern einzelne Aspekte aus dem Leben Celans herausgreifen und Möglichkeiten daraus entwickeln. So werden Szenen aus Celans dichterischen Anfängen beschrieben, sein Verfolgungswahn und seine Beziehungen zu Frauen gezeigt, sowie die gegen ihn erhobenen Plagiatsvorwürfe geschildert. Und das alles wird immer wieder in sein Verhältnis zum gehaßt geliebten Land Deutschland gestellt.

Regisseur Günter KRÄMER nimmt dem Stück jedwede gesellschaftspolitische Dimension, die z. B. von Claus Guth in Dresden noch stark betont wurde. Dafür entwirft Krämer eine radikal reduzierte Innenschau Celans. Das gesamte Bühnengeschehen scheint sich im Kopf des Dichters abzuspielen. So wird das Stück zur Studie eines Verfalls. Denn wenn in der ersten Szene Krämer noch punktgenau auf die lebhafte Musik inszeniert, mit viel Bewegung und großen Emotionen, so erstarrt danach die Handlung immer mehr. Sogar die roten Leuchtschriftbänder, die die einzige Farbe auf der ansonsten schwarzen Bühne darstellen (Bühne: Ulrich SCHULZ) wechseln zu Beginn häufig den Text und bringen Ausschnitte aus Celans Todesfuge.

Ab der Mitte des Stückes allerdings, dem vierten Entwurf, tritt auch hier eine Starre ein und nur die Worte „Aus Deutschland“ laufen durch bis zum Ende. Auch die gesamte Bewegung auf der Bühne reduziert sich immer mehr. Mit dem vierten Entwurf, der großen Chorszene mit dem Titel das Grauen, sitzen der alte und der junge Celan am Bühnenrand und sie verharren dort bis zum Schluss. Um sie herum Blöcke von identisch gekleideten Männern in schwarzen Anzügen und Frauen in schwarzen Kostümen (Kostüme: Falk BAUER). Wenn sich am Ende die massive Decke auf die liegenden Darsteller senkt, ist die Depression perfekt visualisiert.

In dieser Interpretation macht sogar der ansonsten recht problematische fünfte Entwurf Sinn, in dem ein Blick in die heutige Zeit geworfen wird, in Form des mörderischen Fremdenhasses eines Hooligans. Was in Dresden und Mainz als erhobener moralischer Zeigefinger daherkam, ist hier der Zukunftsblick des visionären Dichters, schlicht und ohne bildliches Beiwerk als rufende Stimmen aus Celans Unterbewußtsein.

Das alles schafft zum einen große Dichte, letztlich bleibt allerdings die Frage nach der Bühnenwirksamkeit einer solch extremen Reduktion und Starre.

Die Sänger tragen das Konzept, das große Textverständlichkeit erfordert, voll mit, so die beiden sehr souveränen Thomas MOHR als älterer Celan und Miljenko TURK als junger Celan. Warum Krämer die Rolle von Celans Frau Christine ebenfalls auf zwei Sängerinnen verteilt (Patricia ROACH und Ausrine STUNDYTE) hat sich mir nicht erschlossen. Weiter seien erwähnt Banu BÖKE als Hilde, Claudia ROHRBACH als Rachel und Tómas TÓMASSON als Ober.

Am Pult des hervorragend spielenden GÜRZENICH-ORCHESTERS steht in dieser Inszenierung der Komponist Peter RUZICKA selbst, der wieder einmal ein überzeugender Anwalt seiner Musik ist und die Klangmassen immer klar und transparent hält. Nur am Schluß, bei dem weit ausholenden Canto der Streicher läßt er sich von der Starre der Inszenierung anstecken, und der Gesang tritt auf der Stelle.

Insgesamt eine stimmige Deutung, die es dem Zuschauer allerdings nicht eben leicht macht. KS