"THE TEMPEST" - 26. März 2007

Shakespeare verliert offensichtlich nicht an Reiz für Opernkomponisten. So gab es allein in den letzten drei Jahren mindestens drei Vertonungen des "Sturms", Luca Lombardis "Prospero", Helmut Oehrings "Unsichtbar Land" und Thomas ADÈS' "The Tempest", das nach seiner Uraufführung 2004 in London nun die erste Wiederaufnahme erlebte.

Meredith Oakes zitiert in ihrem Libretto nicht eine Zeile Shakespeare, greift bestenfalls einzelne Worte heraus, um diese in ihrem gereimten Text zu verwenden. Heraus kommt eine vertraute Geschichte, die sehr eigenständig ist und große Wirkung zeigt. Außerdem gewährt sie dem Komponisten alle Freiheit, die der Opernkomponist gegenüber dem Stückeschreiber braucht. So kann Adès z. B. einen Chor einsetzen, indem er alle Schiffbrüchigen (schließlich reisen Könige und Herzöge nicht nur mit zwei Seeleuten und ohne Hofstaat) präsentiert, die bei Shakespeare aus bühnenökonomischen Gründen nicht auftauchen, und für diesen effektvolle Szenen komponieren.

Effektvoll, nicht im oberflächlichen Sinne, sondern in guter Theatertradition sind Stück und Inszenierung. Bereits der Sturm zu Beginn leitet dies ein. Bläserstarke Musik mit vollem Orchester werden begleitet von neonfarbenem Licht vor dunklem Hintergrund und einem gelb leuchtenden Ariel, der bzw. die wild durch die Luft wirbelt (Regie wie auch Bühne: Tom CAIRNS). Als sich der Sturm legt, sehen wir die Insel als aufgeschlagenes Buch, es könnte aber auch ein aufgeklappter Laptop sein.

Hier tummeln sich die Protagonisten, ganz wie bei Shakespeare. Prospero, ein souverän singender Simon KEENLYSIDE, der allerdings von der Regie zum etwas starr agierenden Stabschwinger degradiert wird. Er hat seinen absoluten Höhepunkt am Schlßs, wenn er die Bücher zerrissen, seinen Zauberstab zerbrochen und Ariel entlassen hat. Da überkommt ihn eine große Einsamkeit, fast Sehnsucht schon jetzt nach seinem alten Inselleben, und er sinkt in sich zusammen.

Ariel (eine wunderbare Cyndia SIEDEN, die ihre Rolle mit ihren extrem hohen Lagen perfekt meistert) fliegt derweil in die Freiheit. Nur das Monster Caliban bleibt zurück. Dieses ist in Form eines bleichen dünnen Ian BOSTRIDGE so gar nicht Furcht einflößend, sondern eher eine traurige Gestalt, wenn er versucht Stefano (Stephen RICHARDSON) und Trinculo (Countertenor David CORDIER) zum Mord an Prospero zu bewegen, und auch der Hofstaat ist bei seinem Anblick eher amüsiert. So werden bei Adès die humorigen Szenen zusammengestrichen zugunsten der Läuterung der Verräter Sebastian (Jonathan SUMMERS), Antonio (Donald KAASCH) und des Königs von Neapel (Philip LANGRIDGE).

Dafür wird nochmals die ganze Bühnentechnik aufgefahren und ein riesiges Fischmaul und ein Höllenfeuer sehr realistisch in den Raum projiziert. Märchenhaft, daß solch ein Zauber die Menschen bessern soll. So bleibt Prosperos Bruder Antonio auch nach alle dem voller Haß, und man kann ahnen, daß er noch einmal seinem Bruder nach dem Leben trachten wird. Er hat sonst nichts, was sein Leben ausmacht. Keine Tochter wie Prosperos Miranda (eine mädchenhafte Kate ROYAL), die sein Erbe als Frau von Ferdinand (Toby SPENCE) antreten wird. Wie immer bei Shakespeares späten Werken herrscht am Ende Melancholie, die Zukunft ist ungewiß. Vielleicht dies ein Reiz, die Geschichten immer wieder neu zu erzählen.

Adès' Musik wird all den Ansprüchen gerecht. Große Orchesterausbrüche stehen wirkungsvoll neben leisen, lyrischen Passagen, die Musik ist schroff, ohne sperrig oder unmelodiös zu werden. Das ORCHESTER DES ROYAL OPERA HOUSES wird vom Komponisten mit viel Energie und großen Gesten durch das Werk geführt. Das Haus war an diesem Abend fast ausverkauft, und das Publikum dankte mit großem Jubel, besonders für den Londoner Komponisten. KS