THEATERFEST - 6. September 2003

Das Theaterfest stand unter dem Motto „Evviva Espana“. Warum, ist mir allerdings ein wenig verborgen geblieben. Es wurden zwar Ausschnitte aus „Carmen“ gegeben, und auch der „Barbiere“ spielt in Sevilla, aber der Rest des Programmes hatte wenig Spanienbezug („Tosca“, „Zar und Zimmermann“, „My fair Lady“ und „Der Vogelhändler“).

Für die Ausschnitte aus „Carmen“ kann nur das wiederholt werden, was die Premierenkritik beschreibt. Patricia FERNANDEZ zeigte eine wenig spannende „Habernera“; sich lasziv gegen die verfügbaren männlichen Wesen lehnen, macht noch keine Carmen aus. Gerard QUINN konnte mit Escamillos Couplet noch einmal zeigen, wie sich ein intelligenter Sänger eine Partie erarbeitet, die ihm eigentlich zu tief liegen dürfte. Mario DIAZ Stimme wurde im Duett mit Micaela nicht nur in der Höhe eng. Die Verengung zieht sich mittlerweile bis in die Mittellage herunter. Chantal MATHIAS wiederholte ihre wirklich hochklassige Micaela, wortdeutlich, mit runder, aufblühender Stimme. Es wäre schön, wenn die Sängerin diesen Weg weiterbeschreiten könnte.

Danach sang das neue Ensemblemitglied Mardi BYERS „Vissi d’arte“, wobei sie intensives Spiel mit einem apart timbrierten lyrischen Sopran verbinden konnte. Hoffentlich kommt die gesamte Rolle nicht zu früh, denn es wäre schade um diese interessante Stimme. Im Anschluß quälte Greg RYERSON sich und das Publikum durch das „TeDeum“. Sein Scarpia ruderte mit den Armen, zeigte interessante Ausfallschritte und fiel zu guter Letzt auch noch auf die Knie. Das ganze wurde mit Brunnenvergiftermimik gepaart. Gesanglich gar er seinem Hang zum Schleppen wieder nach und brüllte sich wenig differenziert durch die Noten. Der Spoletta von Enrico Adrian RADU war da auf jeden Fall präsenter.

Marco STELLA hat ja bereits in der letzten Saison bewiesen, in welchem atemberaubendem Tempo man die Bartolo-Arie singen kann. Diesmal hatte er zusätzlich noch ein paar hübsche weitere darstellerische und stimmliche Nuancen eingebaut. Ein absoluter Vollblutkomödiant, der weiß, wie man das Publikum packen kann.

Besser als bei der letzten Begegnung in „Zemire et Azor“ vergangene Saison zeigte sich Steffen KUBACH mit dem Zarenlied. Er sang es sehr lyrisch, es fehlte allerdings an dem Temperament, über welches der Sänger verfügt, und was sich dann im von ihm und dem Schauspieler Andreas HUTZEL moderierten Quiz zeigte. Die beiden wären ein Gewinn für jede Kleinkunstbühne.

Annette PFEIFER schaffte es mit „Ich hätt’ getanzt heut’ nacht“, richtig Lust auf ihre Eliza zu machen, ausnehmend gut gesungen, mit viel Schmiß, schrie es geradezu danach, die ganze Rolle von ihr zu hören (was man übrigens ab 19. September kann).

Das ebenfalls neue Ensemblemitglied Stefanie KUNSCHKE ließ als Brief-Christel eine agile Stimme mit überraschender Wortdeutlichkeit hören. Sie scheint ein ausgesprochenes Bühnentalent zu sein, denn sie tobte mit sichtlicher Freude, die sich auf die Zuschauer übertrug, durch die aus der „Carmen“ stehengelassene Kulisse.

Zum Schluß sang Mardi Byers zusammen mit Patrick BUSERT das Duett der Kurfürstin und Adam, wobei der Tenor mit seiner biegsamen, höhensicheren Stimme seine Eignung neuerlich für die Operette unter Beweis stellte.

Man konnte an diesem Abend einmal mehr lernen, wie wichtig ein Dirigent für die Interpretation eines Werkes ist. Dirigierte Roman BROGLI-SACHER „Carmen“ und „Tosca“ wie Militärmusik, wobei das PHILHARMONISCHE ORCHESTER diverse Verspieler hören ließ, hatte man bei dem Wechsel zu den beiden anderen Dirigenten das Gefühl einen anderen Klangkörper vor sich zu haben. Frank Maximillian HUBE zauberte für den „Barbiere“ einen italienischen Klang voller Brio, und Lortzing wurde jede Betulichkeit ausgetrieben. Schade, daß die Dalila-Arie kommentarlos entfiel, die er ebenfalls hätte dirigieren sollte. Ludwig PFLANZ ist am Lübecker Theater der Mann für die leichte Muse, bei der er mit Schwung, Witz und Tempo plötzlich tausendmal gehörte Stücke neu erscheinen läßt.

Der CHOR DES THEATER LÜBECKs (Leitung: Joseph FEIGL) zeigte eine gute Leistung bei der „Ascot-Gavotte“, während in „Carmen“ und „Tosca“ es Momente gab, die dicht am Totalausstieg waren und immer wieder einzelne Stimmen herausfielen. Auch hier mag es jeweils am Dirigat gelegen haben.

Unverständlich wird mir immer bleiben, warum Intendant Marc ADAM derartige Konzerte unbedingt selbst moderieren muß. Freies Sprechen ist seine Sache nicht, und wenn er beim Ablesen seiner Karteikarten sich sogar bei den Namen von Sängern oder dem Erzählen altbekannter Anekdoten verhaspelt, trägt es nicht zum Gelingen des Abends bei. MK