"DER VOGELHÄNDLER"- 21. Januar 2004

Gut gemachte Operette ist mehr als die Aneinanderreihung von ein paar guten Ideen und das Ausfüllen der Lücken dazwischen mit platten Pointen. Es heißt Spaß, wenn möglich mit einigem Hintersinn. Leider gelang Franziska SEVERIN in ihrer Lübecker „Vogelhändler“- Inszenierung nicht allzu viel davon. Die guten Ideen wirkten wie systematisch aneinandergereihte Programmnummern. Es fehlte ein kontinuierlicher Fluß, ein Ineinandergreifen der Szenen.

Dabei gab es durchaus schöne und witzige Momente. Gerade in der Chorregie ließen sich sehr gute Ansätze erkennen. Bei den Solisten hatte man allerdings zu oft den Eindruck, die Sänger wären sich selbst überlassen worden.

Für die Bühne entwickelte Michael GODEN einen überdimensionierten Vogelkäfig auf der Drehbühne; notwendiges Interieur und Pavillon inklusive. Den Bühnenhintergrund schmückten viele, wirklich viele Wolken (Es bleibt zu hoffen, daß für die „Zar und Zimmermann“- Produktion noch eine ausreichende Menge übrigbleibt...).

Die musikalische Leitung des Abends durch Ludwig PFLANZ gehört diesmal an die erste Stelle. Entkitschter Operettenklang fernab von 50er-Jahre-Seeligkeit ist in Lübeck nichts Neues. Trotzdem überraschte es, daß es dem Dirigenten gemeinsam mit dem PHILHARMONISCHEN ORCHESTER gelang selbst Zellers mit Verlaub zuckersüßer Musik akzentuierten Rhythmus und musikalische Pointen zu entlocken.

Titelheld Adam wurde von Patrick BUSERT erfrischend weit entfernt vom üblichen Naturburschen mit unverständlichem Akzent dargestellt. Diesem Tiroler gehen sämtliche Mädchen der Pfalz ins Netz, ohne daß er sich dafür großartig anstrengen müßte. Leicht und unbeschwert klang dann auch die musikalische Interpretation. Ohne Berührungsängste und ohne jeden Kitsch sang der Tenor die beiden Gassenhauer dieser Operette in opernhafter Meisterschaft.

Meisterlich zeigte sich auch Stefanie KUNSCHKE als Christel. Sie ist ein Gewinn für Lübeck, denn es gelingt ihr leicht, selbst das müdeste Publikum mitzureißen. Temperamentvoll wirbelte sie über die Bühne und sang dabei so munter, als gäbe es nichts einfacheres. Mardi BYERS lag die Partie der Kurfürstin mehr als anderes (Gebt ihr Gilbert und Sullivan!). An diesem Abend zeigte sie, wie gut sie in der Lage ist, ihre Stimme sicher und sauber zu führen, ohne daß ihr Spiel unter permanenter Anspannung leidet. Zudem verfügt sie über eine gehörige Portion Humor und Selbstironie. Eine elegante Figur machte Steffen KUBACH als Baron Weps. Sein (verhinderter) Strippenzieher in kurfürstlichen Diensten war eine herrliche Studie männlicher Eitelkeit.

Immer wieder gern gesehen und gehört ist Veronika WALDNER. Diesmal in der Minirolle der Baronin Adelaide - begleitet von Bijou, einer Art Fluffy in Plüsch (Merchandising???) - gab sie der ewig nörgelnden Begleiterin der Kurfürstin eine famose Erscheinung. Kein Wiedersehen wünscht man sich dagegen mit Kenneth ROBERSON, dessen Stanislaus eine bonbonsüße, permanent mit den Armen rudernde, text- wie gesangsunsichere Scheußlichkeit war. Merke, Operette muß nicht permanenter Ulk sein, um komisch zu wirken.

Leider wird das Auftreten von Ben HECKER nicht komischer, wenn man ihn in mehr als einer Rolle besetzt. Seine Überpräsenz als Wirt, dessen Frau, Kammerdiener, Bote, Maître de plaisir, Kurfürst und schlußendlich noch als Würmchen, letzteres mit Verlaub auch für einen Schauspieler sehr schlecht gesungen, ging einem letztendlich nur noch auf die Nerven. Wesentlich erfreulicher zeigte sich da Dimitri GOLOVIN als Dorfschulze, der zwar hörbar mit dem verdrehten Text seiner Figur kämpfte, auf der anderen Seite mit einem für diese Rolle ungewöhnlich präsenten und durchdachten Spiel begeisterte.

Eine positive Überraschung war Frieder STRICKER als Süffle. Extrovertierter als man ihn in Hamburg sehen und hören konnte, erspielte er sich die Sympathien des gesamten Publikums und machte auch auf dem roten Hüpfball eine ausgezeichnete Figur.

CHOR und EXTRA-CHOR machten ihre Sache gut, wobei die eine oder andere kleine Verwirrung nicht ausblieb. AHS