„IM WEISSEN RÖSSL“ – 7. Januar 2005

Daß das „Weiße Rößl“ am Wolfgangssee steht, weiß sicherlich mittlerweile jeder. Allerdings wird man in diesem Werk von Ralph Benatzky auch alle Nase lang darauf aufmerksam gemacht.

Nein, dies ist keine unserer Lieblingsoperetten, doch die musikalische Umsetzung am Lübecker Theater machte auch diesmal wieder soviel Spaß, daß die z.T. platten Dialoge und die plakative Handlung zu Nebensachen wurden.

Steffen KUBACH ließ aufgrund seiner lebensnahen Darstellung des Leopold rasch vermuten, daß er in seiner Studienzeit gekellnert hat. Er nimmt der Rolle dazu auch noch jegliche Peinlichkeit eines Fünziger-Jahre-Films, ist in seiner Arroganz, Eifersucht und Verzweiflung (tragi-) komisch und singt dazu als würde ihm nichts auf der Welt mehr Spaß machen.

Schade, daß Cornelia ZACH das alles weniger gut gelingt. Diese Josepha war ein Klischee mit regelmäßig in die Hüften gestemmten Armen und manchmal zu sehr nach auswendig gelernt klingenden Dialogen. Klasse war allerdings ihre Contenance, als die (Chor-) Beregnungsanlage in der auf das Unwetter folgenden Szene „nachtropfte“. Von dem Humor, der in diesem Moment hervorblitzte, hätte man gern mehr.

Stefanie KUNSCHKE (Ottilie) und Patrick BUSERT (Dr. Siedler) sind mittlerweile ein besonders gut eingespieltes Team. Neben Steffen Kubach konnten diese beiden sich musikalisch am besten profilieren sowohl einzeln als auch als Paar. Beide mit schönen, höhensicheren Stimmen ausgestattet, glaubte man ihnen die Rollen einer jungen selbstbewußten Großstadtpflanze und eines weltmännischen Rechtsanwaltes auch darstellerisch.

Dieter KAISER (Giesicke) maulte über Land und Leute so echt, daß man als Ex-Berlinerin Heimweh bekam. Ihm und Frieder STRICKER glaubte man ohne größere Zweifel, daß sie gemeinsam die Schulbank gedrückt haben. Letzterer hatte als Prof. Dr. Hinzelmann augen- und ohrenscheinlich genauso viel Spaß wie bei seinen Lübecker Auftritten in der vergangenen Spielzeit.

Annette PFEIFER war ein entzückendes Klärchen mit einem liebenswertem und erschreckend echtem Sprachfehler. Sigismund in der Verkörperung von Alexander GRONEN nervte den gesamten Abend mit völlig unkomischem Getue. „Schönheit“ ist eben nicht alles.

Ähnlich anstrengend war Eike-Christian JENSCH als übergezogen gezeichneter Piccolo. Lars JACOBSEN dagegen gab einen klasse Reiseführer und Robert LENKEY einen herrlich schrulligen Kaiser mit interessanten Fähigkeiten im Bereich Wiener Lied.

Ludwig PFLANZ und das PHILHARMONISCHE ORCHESTER sorgten für schwungvolle Untermalung aus dem Graben. Der MUSIKZUG DER FREIWILLIGEN FEUERWEHR REINFELD leistete beim Auftritt von Franz Joseph I. tatkräftige Unterstützung.

Michael GODEN (Bühne) zauberte dazu neben den mit wenigen Requisiten angedeuteten Handlungsschauplätzen einen halbrunden, fahrbaren Bühnenhintergrund mit einer riesigen Postkartenansicht vom Weißen Rößl nebst Wolfgangssee. Letzterer hatte allerdings den Nachteil, daß man die Sänger schlechter verstehen konnte, sobald er zur Seite gefahren wurde.

Die mehr oder weniger zeitgemäßen Kostüme von Sven BINDSEIL schwankten zwischen Solidem, Modeverirrungen und Lokalkolorit (dem, was man sich halt darunter vorstellt...). Es steht allerdings zu hoffen, daß Dr. Siedler in seinem Outfit nie vor Gericht erscheint.

Leider hinkte die szenische Umsetzung von Franziska SEVERIN dem hinterher. Die Inszenierung mangelte, wie bei dieser Regisseurin nicht zum ersten Mal bemerkt, an Stringenz und Timing. Auch hier gab es zwar den einen oder anderen guten Einfall, doch man vermißte das verbindende Element. Operette als Nummernrevue, ohne daß sich die Handlung kontinuierlich wiederfand.

Für das typische Operettenpublikum war das Ganze mitklatschverdächtig gut. Für denjenigen, der sich dieses Vergnügen hin und wieder gönnt (bzw. sich traut), sei es empfohlen. MK/AHS