"DIE CZÁRDÁSFÜRSTIN" - 17. Dezember 2005

In Lübeck swingt erneut die Operette, und man kann wieder einmal herzlich lachen.

Wolf WIDDER hat dieses Werk von Emmerich Kálmán gefällig verpackt, aber auch mit einer Prise Geschichtsunterricht versehen, ohne dabei zu sehr den politisch wertenden Zeigefinger zu heben. Der Regisseur erzählt mit seiner Inszenierung die Geschichte, die von Komponist und Librettisten geschrieben wurde. Das ist schon viel heutzutage. Die Charaktere sind gut ausgearbeitet und in den Beziehungen zueinander stimmig. So funktioniert Operette. Und wenn Boni im dritten Akt seinen Einberufungsbefehl bekommt und der Operettenglitzer langsam verpackt wird, sagt das mehr als aberwitzige Regietheatereinfälle mit Kriegsgreuel.

Das Bühnenbild (Sybille SCHMALBOCK) ist angemessen bunt, ohne zu kitschig zu wirken, und die Kostüme (Pierre ALBERT) sind zeitgemäß, z.T. etwas ausgefallen, aber nie wirklich übertrieben. Die tänzerischen Leistungen der "Mädis vom Chantant" waren - im Gegensatz zu denen der Herren vom Chor - allerdings wenig ansprechend (Choreographie Pascale CHEVROTON)

Doch was wäre diese Produktion ohne Patrick BUSERT als Boni? Der Tenor ist sich nicht zu schade, auch bei der leichten Muse sein eindrucksvolles musikalisches Können zu Gehör zu bringen, und so ist dem Publikum vergönnt, schön phrasierten Gesang mit mozartesken Anklängen zu hören. Dazu kommt die darstellerische Intensität, die ihn auch diesmal zu Mittelpunkt jeder Szene werden läßt.

Operette braucht eben Tempo, Timing und Charme, und Patrick Busert hat all dies im Überfluß. Man traut ihm glatt zu, den am Ende ausbrechenden Krieg mit der treuherzigen running gag-Frage "Bin ich dein Freund?" allein beenden zu können. Zu Recht erhielt der Tenor auch den größten Applaus des Abends.

Ihm ebenbürtig mit klaren, frischen Sopran Stefanie KUNSCHKE als erstaunlich emanzipierter Stasi, an der der leichtlebige Graf noch so seine Freude haben dürfte. Hinzu kommt noch die Fähigkeit, banale Dialoge weniger banal klingen zu lassen, als sie sind, tänzerisches Talent und eine bezaubernde Erscheinung.

Weitaus schlechter war es da um das "erste" Paar bestellt, was hier es nur auf den dritten Platz der Paare schaffte. Wenig Temperament besitzt Tonje HAUGLAND, was für eine Sylva Varescu fatal ist. Außerdem fehlt es ihr an Wortdeutlichkeit und an jeglichem tänzerischem Talent. Jegliche Form weiblichen Charmes wäre beim Edwin von Marc HORUS allerdings auch verschwendet. Er wirkt blaß, fad. Bar jeglicher Persönlichkeit scheint er just einer der z.Zt. so populären Endlosserien entsprungen. Zudem neigt er dazu, seine Stimme in den höheren Lage aufzureißen, was meist zu wenig schönen Ergebnissen führt. Zwischen beiden Sängern war auch nicht die Spur eines Knisterns zu spüren, so daß man sich fragen mußte, was wollen die eigentlich miteinander?

Da war das Zusammenspiel der "älteren Herrschaften" um Klassen prickelnder. Frieder STRICKER überraschte als Fürst Leopold Maria mit großem Talent beim Walzertanzen und war als Typ ausreichend trottelig, ohne zu übertreiben. Margrit CUWIE als Anhilte ist, obgleich sie bis kurz vor dem Finale wenig mehr als Stichworte zu geben hat, ihm da eine kongeniale Partnerin.

Eine Bank bei der leichten Muse ist immer wieder Steffen KUBACH (Feri von Kerekes). Mit sichtlichem Spaß an der Sache, ohne aus dem etwas schrägen Charakter eine billige Parodie zu machen, tobte er singend und tanzend über die Bühne und fand dann für das Ende des ersten Aktes, wo Feri nach aufgelöster Party allein zurückbleibt, überraschend melancholisch-profunde Töne.

In den kleineren Rollen fallen der sehr preußisch-präsente Till BLECKWEDEL (Eugen von Rohnsdorff), Joao CARRERA als Botschafter MacGrave mit echt wirkendem Akzent sowie Mark McCONNELL als grantelnder Notar Kisch positiv auf.

Dirigent Ludwig PFLANZ dürfte in der Lage sein, uns musikalisch fast jede Operette schmackhaft zu machen. Es erstaunt immer wieder, wie sehr diese Stücke durch ein frisches Dirigat gewinnen und jeglichem Kitsch entkleidet werden, ohne daß das Schwelgerische vollkommen vernachlässigt wird. Das PHILHARMONISCHE ORCHESTER folgte den Intentionen des Dirigenten vorbehaltlos. MK & AHS