"DON GIOVANNI" - 29. Juni 2006

Der zweite Besuch dieser Produktion bestätigte den ersten vom November 2005. Die Inszenierung von Jakob PETERS-MESSER ist größtenteils fad und teilweise ärgerlich. Der Sinn des Zirkusambientes (Bühne Markus MEYER) erschließt sich nicht, und die Personenführung ist teilweise gegenüber den Sängern schon unverschämt (Elvira muß Koloraturen auf dem Rücken liegend singen, Giovanni hat zur Champagner-Arie mit einer Peitsche herumzuknallen, etc.). Einzig über die Kostüme (Sven BINDSEIL)läßt sich einigermaßen Gutes sagen. Das Finale wird völlig verschenkt, und man ginge im höchsten Maße gelangweilt nach Hause, gäbe es nicht die bis auf zwei Ausnahmen erfreuliche musikalische Seite.

Diese Ausnahmen betreffen erstens den Ottavio von Nicholas SALES mit quäkendem Timbre, uneleganter Phrasierung und bläßlicher Ausstrahlung (da hätte es sicherlich auch andere - zudem für das Theater, das ja ständig am finanziellen Abgrund balanciert, günstigere - Lösungen gegeben). Zweitens war der Leporello von Almas SVILPA eine Zumutung. Ich möchte behaupten, daß die Registerarie die schlechteste war, die ich in meinem Leben gehört habe mit zahllosen Intonationsunsicherheiten, brutal herausgebrüllten Tönen und bar jedes Charmes.

Doch das Positive überwog dann doch. Gerard QUINN wiederholte seinen Giovanni mit Virilität und beträchtlicher Ausstrahlung. Höhepunkt seiner Interpretation war sicherlich das Ständchen, was mit schmeichelnden piani und dabei selbstironischem Ausdruck genommen wurde. Auch Andreas HALLER bestätigte den Eindruck vom Herbst mit seinem stimmlich sehr beeindruckendem Komtur. Daß ihm darstellerisch insbesondere im Finale jede Profilierungsmöglichkeit genommen wird, ist nicht seine Schuld.

Annette PFEIFER macht aus der Zerlina eine selbstbewußte junge Frau, die weiß, wie sie bekommt, was sie will. Die Stimme wirkt wieder deutlich ausgeglichener als zuletzt. Schade, daß sie Lübeck verläßt. Masetto Andreas BAUMEISTER, der im Herbst noch zumindest zu Beginn sehr zurückhaltend wirkte, hat sich enorm gesteigert. Hier dürfte sich Lübeck einen Baßbariton heranziehen, dem in absehbarer Zeit größere Rollen zuzutrauen sind.

Die beiden Seria-Damen waren im November beide erkrankt. Sie machten deutlich, wie eine Besetzung eine Produktion verbessern kann. Mardi BYERS (Anna) wird Lübeck ebenfalls verlassen, die Lücke wird schwer zu füllen sein. Sie singt Anna nicht auf jene hysterische Trauerweidenart, die man so häufig sieht, sondern ganz lyrisch, wie ein junges Mädchen, dem schreckliches widerfahren ist, die sich in sich zurückgezogen hat, und die sich davon nur mühsam erholt. Auch ist sie der Partie in jeder Sekunde gewachsen, obgleich sie ja eigentlich ihre Lübecker Erfolge im Verdi- und Verismo-Fach feierte.

Chantal MATHIAS als Elvira zeigt keine Zurückhaltung. Bei ihr ist klar, daß es eigentlich nur eine Frau in diesem Stück gibt, die ein legitimes Recht auf Giovanni hat - und das will sie auch durchsetzen. Sie wirft sich mit einer Vehemenz in die Partie, die das trostlose Umfeld der Inszenierung vergessen macht, singt immer sauber und läßt sich sogar noch die Zeit innerhalb von wenigen Augenblicken widerstreitende Gefühle nicht nur in der Stimme hören zu lassen, sondern auch während des Singens in der Mimik zu zeigen.

Am Pult stand erneut Frank Maximillian HUBE, der Mozarts Musik vorantrieb und so deutlich machte, daß es sich um ein sehr schnell hintereinander ablaufendes Geschehen handelt. Das PHILHARMONISCHE ORCHESTER machte seine Sache ebenso gut wie der CHOR. MK