"GRISÉLIDIS" - 27. Oktober 2006

Die Storyline dieser Massenet-Oper ist einfach: Tenor liebt Sopran, welcher aber Bariton heiratet, der, zum Kreuzzug gerufen, fort muß, wodurch (Übel-) Baß in Gestalt des Teufels, unterstützt durch Mezzo, die Möglichkeit für seine - erfolglosen - Versuche erhält, Sopran vom rechten Weg abzubringen. So weit, so üblich. Erfreulich unüblich zeigt sich der Schluß. Der Bariton bekommt nämlich das Mädchen, und es gibt trotzdem ein Happyend.

All das ist in zweieinhalb Stunden schönster Musik zusammengefaßt, die von den LÜBECKER PHILHARMONIKER akkurat und poetisch zur deutschen Erstaufführung gebracht wurde. Daß Frank Maximillian HUBE die Möglichkeit erhielt, diese Produktion zu leiten, erwies sich als Glücksfall, durfte das Orchester hier doch schwelgen, ohne daß exaktes Musizieren vernachlässigt wurde. Kurz, man bekam eine romantische, französische Oper in der bestmöglichen Interpretation zu hören.

Die Aufführung einer Oper wie dieser steht und fällt mit der Interpretin der Titelpartie. Chantal MATHIAS vermochte, obwohl von der Regie mehr oder weniger alleingelassen, für Grisélidis einzunehmen, und wirkte nur dort ein wenig verloren, wo deren Verhalten schwerlich nachzuvollziehen war. Stimmlich war ihre Interpretation einwandfrei und von berückender Schönheit.

Laurence GIEN (Le Diable) hatte augen- wie ohrenscheinlich viel Spaß an seiner Partie wie an der Interaktion mit dem Publikum. Mit einem bemerkenswert agilen und ausdrucksvollen Bariton gab er dem Bösen eine gesanglich beeindruckende Gestalt. Sein überschäumendes Temperament gab der Figur etwas extrem Skurriles und im Ehezwist mit der höllischen Gattin beinahe etwas bemitleidenswertes.

Die Ehe des Marquis mit Grisélidis funktioniert da wesentlich harmonischer. Und so konnte sich Gerard QUINNs Interpretation mehr (und zu recht) auf die musikalische Seite der Partie, die wie für ihn geschrieben schien, konzentrieren. Lange, weiche Bögen, die mit vielen Farben und Schattierungen versehen wurden, und dazu eine stimmliche Sicherheit, bei der sich ein Zurücklehnen-und-einfach-zuhören reinweg anbot.

Bei beiden Herren war die sprachliche Behandlung der Partien übrigens so gut, daß es der Übertitel eigentlich nicht bedurft hätte.

Astrid VON FEDER vermochte den guten Eindruck aus dem "Herring" noch zu steigern. Ihre sexy Fiamina war ein Ausbund an verderblichem Temperament, die den teuflischen Göttergatten mit diebischer Freude zu weiteren Schandtaten animierte.

Dem durchweg guten Team konnte Edgardo ZAYAS als Alain keine weitere Nuance hinzufügen. Darstellerisch blaß blieb er der Mann mit den Zetteln. Seine Stimme verfügt über eine angenehme Mittellage. Die hohen Töne allerdings klangen teils recht unangenehm. Benno SCHÖNING gab einen coolen Priester mit gut geführter Stimme, während Andreas HALLER (Gondebaud) als geistiger Kriegstifter die Chance zum erneuten Herumgroßinquisitieren gut nutzte. Andrea STADEL hatte es da eher schwer, in Erinnerung zu bleiben. Sehr niedlich und präsent war Lucas Constantin HERING als Loys.

Die Inszenierung von Jakob PETERS-MESSER krankte primär daran, daß sie Lücken in der Handlung nicht zu schließen vermochte. Grisélidis' Gründe, gerade den von ihr gewählten Weg zu gehen, sich für den Marquis und nicht für Alain zu entscheiden und letztlich dem Bösen zu widerstehen, blieben zu sehr nebulös.

Sehr gelungen zeigte sich das Bühnenbild von Markus MEYER. Ein in der Ausstattung minimalistischer Einheitsraum zwar, der aber immerhin über zwei Spielebenen und mehrere Türen verfügte, was einen hohen Grad an Wandelbarkeit erzeugte, und mit einer Farbgebung von beinahe godenscher Ästhetik versehen war. Die Kostüme (Sven BINDSEIL) paßten hierzu sehr gut. Als fulminant sind die des Teufels in all seinen Verkleidungen sowie die diversen Outfits Fiaminas zu bezeichnen.

Eine tolle musikalische Umsetzung, eine Inszenierung, die nicht wehtut - Opernbesucher, was willst du mehr? AHS