"DAS RHEINGOLD" - 15. September 2007 (Premiere)

Was gibt es Neues in Lübeck? Dem dortigen Theater ist es noch rechtzeitig am Freitag vor der ersten Musiktheaterpremiere gelungen, die neue Website online zu stellen, der Lübecker Hauptbahnhof ist zu unserer Überraschung tatsächlich fertig - und "Das Rheingold" gehört seit diesem Samstagabend endgültig zu den Wagner-Opern, die Spaß machen.

Eine wesentliche Mitschuld an letzterem trägt definitiv der Regisseur Anthony PILAVACHI. Er schuf mittels einer ausgefeilten Personenregie und einer gründlichen Auseinandersetzung mit jeder einzelnen Figur eine rundum gelungene, mit vielen kleinen Ideen durchsetzte, stets auf die Musik ausgerichtete Interpretation.

Zuviel vom Bühnengeschehen zu verraten, würde die Inszenierung der Überraschungseffekte berauben. Nur soviel sei gesagt, vom italoamerikanischen Mafiamilieu bis hin zum gemeinen Splattermovie ist fast alles dabei, der Bruderzwist Donner vs. Froh wurde u.a. mittels einer Zeitschrift, die verdächtig nach der aktuellen "Opernglas"-Ausgabe aussah, ausgetragen, und Fasolt und Fafner sind ein neues Lieblings-Tag-Team.

Das Bühnenbild von Momme RÖHRBEIN und die Kostüme (Angelika RIECK) ergänzten die Regieideen perfekt. Sowohl die "Urtiefen des Rheins", als auch Alberichs Verwandlungen in Schlange und Kröte (okay, eher ein Frosch) und der Weg der Götter nach Walhall sind mittels einfacher, aber wirkungsvoller Theatereffekte reizvoll gelöst.

Doch auch das Sängerensemble hatte einen großen Anteil an diesem gelungenen Opernabend. Gäste und Ensemblemitglieder des Theaters bildeten eine harmonische Besetzung bis in die letzte Rolle hinein.

Als Wotan mit Coolness und eindrucksvoller Stimme stellte sich Stefan HEIDEMANN vor, der mit Sicherheit noch nicht am Ende seiner stimmlichen Entwicklung angekommen ist. Die Anforderungen von Partie und Inszenierung meisterte er gleichermaßen ohne mit der Wimper zu zucken, ein Göttervater mit Autorität und Präsenz.

Daß Alberich weder häßlich vom Aussehen, noch von der Stimme her sein muß, um die Partie wirkungsvoll zu verkörpern, bewies Antonio YANG, der den Nibelungen sehr agil spielte und mit seinem makellosen Baß zu beeindrucken wußte.

Überhaupt war dies ein Abend der beeindruckenden Bässe. Fasolt (Andreas HALLER) und Fafner (Gary JANKOWSKI) klangen beide untadelig. Hinzu kam eine umfassende Wortdeutlichkeit, die nur noch vom Temperament beider Riesen-Darsteller zu schlagen war.

John PICKERING ließ als Loge die Hinterlist und Scheinheiligkeit der Figur vermissen. Insbesondere am Schluß ging er schlicht im Bühnengeschehen unter. Auch stimmlich war er der Schwächste des musikalisch erstklassigen Ensembles. Einige heisere Töne ließen sich anscheinend nicht vermeiden und auch eine gewisse Anstrengung war nicht zu überhören.

Das übrige "Göttergezücht" wurde durch Regie und Besetzung gleichermaßen aus der Existenz als reine Stichwortgeber befreit. Natürlich ist eine Fricka vom Format Veronika WALDNERs an sich bereits nicht zu übersehen/-hören. Hoheitsvoll sogar noch im Apfelentzug, mit einem nicht eine Spur zickigem Mezzo bewies die Künstlerin mimische wie gesangliche Vollkommenheit.

Chantal MATHIAS zeigte eine Freia abseits des lieblichen Klischees und verlieh der Figur eine tragikkomische Note (ihr Kostüm trug sie mit bewundernswerter Noblesse). Ihr glockenheller Sopran hat weiter an Wärme und Tragfähigkeit gewonnen.

Geschwisterzwist vom Feinsten bekam man von Donner (Gerard QUINN) und Froh (Kyung-Jin JANG) zu sehen. Bewegungs- und spielfreudig präsentierten sie eine ganz eigene Show in der Show, konnten aber trotz allem nicht verbergen, welch zwei exzellente Sängerdarsteller hier mit den Partien betraut waren. Durch hohe Musikalität und seinen exzellent geführten Bariton bewies insbesondere Gerard Quinn, daß sich mittlerweile auch die eine oder andere größere Partie dieses Fachs anbieten dürfte.

Die sich als lohnenswert herausstellende Aufgabe, Mime Gestalt und Stimme zu verleihen, oblag Patrick BUSERT. Nachdrücklich brachte der Tenor die Qual seines Charakters zum Vorschein, sang dabei bombensicher und höhenstark. Es steht zu hoffen, daß das Lübecker Theater sich auch in den weiteren "Ring"-Teilen auf die Stärken des eignen Ensembles verläßt.

Als Rheintöchter klangen Sonja FREITAG (Woglinde), Roswitha C. MÜLLER (Wellgunde) und Sandra MAXHEIMER (Floßhilde) sehr homogen. Der sonst z.T. recht langwierige Anfang der Oper wurde durch ihre Spielfreude, die Wortdeutlichkeit und dem in allen drei Partien akkuraten Gesang zu einer spannenden Szene.

Von Ulrike SCHNEIDER wünscht man sich definitiv noch weitere Auftritte und längere Partien als die der Erda. In jedem Fall hinterließ sie einen vielversprechenden Eindruck. Ihr zur Seite zeigte sich Louise HEGGE als "Kleine Brünhilde" bereits sehr bühnenfest für ihr Alter.

Das Dirigat von Roman BROGLI-SACHER hatte auch diesmal seine Längen, wirkte aber weniger episch als sonst, und als die ersten, langgehaltenen Töne des Abends hatten befürchten lassen. Unter seiner Leitung spielte das PHILHARMONISCHE ORCHESTER bis auf zwei, allerdings eklatante, Patzer im Blech fehlerfrei.

Das Theater Lübeck beginnt seinen Ring-Zyklus vielversprechend, sehens- und hörenswert. Definitiv ein guter Grund, sich auf den Weg in den Norden zu machen. AHS & MK