DIE NEUENTDECKUNG DER LANGSAMKEIT

Zur Hundertjahrfeier des Theaters sowie aus Anlaß des 150. Geburtstages Giacomo Puccinis veranstaltete man in Lübeck am letzten Samstag im Oktober eine Operngala.

Das Programm wirkte auf den ersten Blick ein wenig ungewöhnlich, kam - beinahe - ohne die großen Reißer aus. Man gab vor der Pause jeweils die Baritionarie aus "Le Villi" und "Il Tabarro", bot aus der "Butterfly" neben "Un bel di vedremo" eben auch je eine Szene aus dem 2. und 3. Akt sowie das dann doch unvermeidliche "O mio babbino caro". Im zweiten Teil wurde dann der 4. "Bohème"-Akt präsentiert.

Die beiden sinfonischen Stücke "Capriccio sinfonico" und das Intermezzo aus "Manon Lescaut" litten besonders unter den zerdehnten Tempi des Dirigats von Philippe BACH. Puccinis Kompositionen sind gemeinhin weder besonders langsam, noch besonders laut zu spielen. Während letzteres denn doch leider häufiger vorkommt, scheint erstes z.Zt. ein spezielles Lübecker Problem zu sein. Fast kommt man zu der Überlegung, daß man hier der aktuellen slow food-Bewegung eine Art "slow conducting" entgegensetzen möchte. Nur leider wird der Musikgenuß durch besonders langsames Hören nicht besser. Meist ist eher das Gegenteil der Fall.

Wie auch immer, das PHILHARMONISCHE ORCHESTER DER HANSESTADT LÜBECK schlug sich wacker und gefiel diesmal gerade in der Sängerbegleitung, wobei besonders bei "Nulla! Silenzio!" weniger Lautstärke bedeutend mehr gewesen wäre.

Der sängerische Teil des Abends begann mit Gerard QUINNs stimmlich ausgereifter und fein gestalteter Interpretation der Trauer Guglielmos in "No, possibil non è" aus dem Einakters "Le Villi". Antonio YANG litt wie bereits erwähnt als Michele heftig unter der orchestralen Lautstärke, konnte sich aber als Sharpless und besonders als Marcello vorteilhaft präsentieren und seine musikalische Bandbreite gepaart mit viel Spielfreude darbieten.

Hye-Sung NA (Lauretta, Musetta) mit für ihr Fach einer ungewöhnlich warmklingenden Stimme und ein erneut bestens disponierter Szymon CHOJNACKI (Schaunard) zeigten beide auf sehr eindrucksvolle Art, welch hohes Potential sich im neuen Opernelitestudio des Theaters verbirgt. Hier ist ganz dringend auf weitere Einsätze im regulären Opernbetrieb zu hoffen. Veronika WALDNER war bei ihren kurzen Suzuki-Auftritten supercool, und mit ihrem Prachtmezzo nicht zu überhören. Marek WOJCIECHOWSKI klang als Colline leider ähnlich ungut wie am Abend zuvor.

Wie bereits am Vorabend als Duca konnte Dmitri GOLOVNIN hier als Pinkerton und Rodolfo mit attraktiv klingendem Tenorgesang punkten und sich locker in die Herzen des Publikums singen. Elena NEBERA (Butterfly, Mimi) war dagegen eher eine vokale Zumutung. Ihre streng klingende Stimme besitzt einen unangenehm scharfen Ton. Ihr theatralisches Spiel wirkte unangebracht.

Ein alles in allem netter Abend, der mit einem flotteren Dirigat noch kurzweiliger hätte sein können. AHS