"SALOME" - 5. Mai 2009

Roman BROGLI-SACHER, seines Zeichens Lübecker Operndirektor und GMD in Personalunion präsentierte seine erste Inszenierung an seiner Wirkungsstätte und übernahm auch die musikalische Leitung.

Er hielt zwar das Orchester gut zusammen und wählte auch zur Feier des Tages keine schleppenden Tempi. Leider fehlte es jedoch komplett an der schwülen, mystischen Erotik, die die Musik stets zu atmen scheint. Es klang weniger nach geheimnisvollem Orient, sondern eher nach einer klischeehaft-derben Ruhrpott-Kneipe... Zudem spielten die LÜBECKER PHILHARMONIKER mit einer Lautstärke, die den Protagonisten die Möglichkeit raubte, mehr aus deren Rollen zu machen.

Die Inszenierung hingegen gefiel durchaus, wenngleich zu konstatieren ist, daß das Bühnenbild die Regie sehr dominierte, das Ulrike RADICHEVICH - in Zusammenarbeit mit Klaus Emil ZIMMERMANN (Licht-Design) und Katharina SPUIDA (Video-Design mit Radichevich) - auf zwei mittels eines gekrümmten Steges verbundenen Ebenen gestaltete. Dieses gelang äußerst stimmungsvoll in (vielleicht eine Spur zu) dunkel schimmernden Farben. Zu Grunde lag das Bild "Ad Parnassum" von Paul Klee, das wirklich hervorragend zu dem Werk paßt und sehr gut auf die Bühne appliziert wurde.

Die Personenführung war durch die Bank weg im besten Sinne des Wortes solide. Jedoch war mir die Figur der Herodias zu überzeichnet, was durch die Darstellerin noch forciert wurde. M.E. ist sie keine hysterische Furie, sondern der ruhende, alles bestimmende Gegenpol zum "leicht" verwirrten Herodes, ohne die er ja wohl kaum regierungs-, geschweige denn lebensfähig wäre... Sehr gefallen konnte die Beziehung von Herodias zu Salome, die zunächst durch die räumliche Distanz dargestellt wurde (Mutter und Tochter auf verschiedenen Ebenen). Wenn Salome jedoch nach ihrem Tanz sich dazu durchzuringen scheint, ihren Willen zu befolgen (den Kopf des Jochanaan), wird die Distanz aufgebrochen. Der von Martina WÜST choreographierte Tanz beginnt sehr langsam und steigert sich für meine Begriffe zu plötzlich.

Manuela UHL meisterte die Titelpartie ohne Fehl und Tadel. Sie gestaltete die Rolle mehr als solide und konnte mit einigen tollen piani aufwarten - so das Orchester sie denn ließ... Von der Interpretation war ihre Salome eher von der reiferen Sorte. Ich vermißte ein wenig das kindliche Element. Ihre Darstellung war ebenfalls sehr gelungen, wobei der Schleiertanz zu Beginn irgendwie fast teilnahmslos aussah (aussehen mußte?).

Antonio YANG (Jochanaan) konnte mit seiner großen, runden Stimme nach seinem Alberich und Rigoletto (und dem Vernehmen nach auch seinem Gérard) einmal mehr unter Beweis stellen, was für ein vielseitiger Sänger er ist. Ich hätte mir jedoch ein paar mehr Zwischentöne gewünscht, die unter einem sensibleren Dirigat sicherlich eher möglich gewesen wären. Jedenfalls darf man auf Yangs Entwicklung sehr gespannt sein!

Matthias GRÄTZEL (Herodes) hat zweifelsohne die Stimme für Charaktertenor-Rollen, allerdings enervierte sein Dauerforte und die komplett eindimensionale Interpretation sehr schnell. Seine Gattin Herodias wurde von Roswitha C. MÜLLER verkörpert. Sie war mir viel zu fahrig von der Darstellung und zu hysterisch vom Gesang her. Ich hätte mir gewünscht, daß sie der Regie ein bißchen entgegenarbeitet und mehr Coolness und Klasse in die Rolle legt.

Vielleicht wäre Sandra MAXHEIMER die bessere Besetzung für diese Rolle gewesen. Bei ihrem Pagen gab es nichts zu beanstanden. Daniel SZEILI sang einen grundsoliden Narraboth.

Das Judenquintett war mit Patrick BUSERT, Mark MacCONELL, Joao CARRERA, Enrico-Adrian RADU und Yong-Ho CHOI (der auch den Sklaven sang) sehr hochkarätig besetzt. In Anbetracht der allseits bekannten szenischen Fähigkeiten dieser Sänger, hätte die Regie dem Affen hier gerne mehr Zucker geben dürfen.

Ivan LOVRIC-CAPARIN und Kyung-Jin JANG als Nazarener, sowie Young-Soo RYU und Róberth TÓTH als Soldaten (die bedauernswerterweise den ganzen Abend auf der Bühne herumzustehen hatten...) sangen insgesamt auf hohem Niveau.

Alles in allem ist es sicher nicht der große Wurf geworden, aber doch eine durchaus sehens- und hörenswerte Produktion, die mehr Zuspruch verdient hätte - in meiner Vorstellung saß ich am Schluß alleine im 3. Rang - die wenigen dortigen Besucher gingen nach und nach. Erstaunt, ja, fast verwirrt nahm ich die ca. zehnsekündige Stille nach der Aufführung äußerst wohlwollend zur Kenntnis - und das trotz einer Schulklasse! Es geschehen noch Zeichen und Wunder... WFS