"DER ZIGEUNERBARON" - 18. Dezember 2009

Irgendwie ist es derzeit offenbar in, bei Operetten den Spaß, den Charme und das Freche zu hinterfragen oder sogar verschwinden zu lassen. Das kann klappen, wie vor einigen Jahren in der "Csardasfürstin" mit ihrem beklemmenden Schlußbild, es kann jedoch auch dazu führen, daß sich große Langeweile ausbreitet, wie es jetzt im "Zigeunerbaron" der Fall war.

Dabei sind die Bühnenbilder von Ulrike RADICHEVICH mit ihrem Fluß, dem bedrohlich wirkenden Wald, einer Ruine und der ständigen Anwesenheit von Wasser durchaus stimmungsvoll, was man von den Kostümen (insbesondere den von Arsena, Czipra und Homonay) nicht unbedingt sagen kann. Aber was nützt einem eine aufwendige Ausstattung, wenn darin nichts passiert?

Die Inszenierung von Jürgen PÖCKEL ist von sehr gebremstem Tempo, was in der Operette an sich schon schädlich ist. Hinzu kommt allerdings auch noch, daß das mangelnde Tempo durch nichts anderes ersetzt wird. Man hat den Eindruck, daß die Sänger sehr sich selbst überlassen wurden, was einige bekanntermaßen besser kompensieren können als andere.

Leider paßt sich Daniel SZEILI als Barinkay in die Langeweile der Inszenierung nahtlos ein. Er entbehrt jeglichen Charmes in Gesang und Auftreten, was für einen Operettenhelden tödlich ist. Ich habe auch noch nie jemanden "Ja, das alles auf Ehr'" bar jeder Selbstironie singen gehört, was dieses Stück geradezu im Nichts verpuffen läßt. Außerdem wird die Stimme in der Höhe immer enger und halsiger. Dies ist schon seit einigen Vorstellungen in dieser Saison zu beobachten und spricht für ein ernsthaftes technisches Problem und nicht für eine schlechte Abendverfassung.

Daß der Abend kein kompletter Reinfall wurde, lag an der restlichen Besetzung, die durch die Bank sehr gut war. Da waren Anne ELLERSIEK als freche, koloraturgewandte Arsena, die sehr genau weiß, was sie will, und Anna BAXTER, die die Saffi tadellos sang, und als Figur durchaus von Beginn an die Tochter eines Paschas durchschimmern ließ. Eine absolute Überbesetzung war natürlich Veronika WALDNER als Czipra, die ihre große Mezzostimme in den Dienst von Strauß' Musik stellte und mit der gleichen Emphase und Leidenschaft sang, als handele sich um Verdi oder Wagner.

Hartmut BAUER, der ja eigentlich schon seinen Bühnenabschied gegeben hatte, kehrte als Zsupán auf die Lübecker Bühne zurück. Die Stimme ist vielleicht nicht mehr ganz so durchschlagskräftig wie früher, aber als echtes Bühnentier weiß er, was er tut und wie man einen Charakter auf die Bühne stellt. Letzteres ist auch Steffen KUBACH bewußt, der einen darstellerisch und stimmlich sehr bestimmten Homonay darstellte, der keinen Widerspruch duldete. Daß ihm das in dem albernen Kostüm gelang, ist ihm noch doppelt anzurechnen. Patrick BUSERT muß seinen Tenor mit der Fähigkeit zur intelligenten Phrasierung und sein Spieltalent an den Ottokar verschwenden, wo ihm wenig Gelegenheit zur Profilierung bleibt; diese nutzt er jedoch.

Mark McCONNELL spielt und singt einen köstlichen Conte Carnero, der die meisten Lacher des Abends ernten kann, auch im Zusammenspiel mit seinem Sekretär (Philipp SCHWEIGER mit großer Präsenz). Hinzu kommt noch Margrit CUWIE als resolute Mirabella mit gesunder Stimme. Jundong KIM, Enrico-Adrian RADU, Gerd BENNEWITZ, Tomasz MYSLIWIEC, Sonja FREITAG und Birgit MACZIEY ergänzten in den diversen kleinen Rollen.

Ludwig PFLANZ schafft es bei seinen Dirigaten immer wieder, auch in bekannten Operetten noch nie gehörte Nuancen zum Vorschein zu bringen, so auch an diesem Abend. Mit seinen flotten, animierten Tempi, dem ihm bedingungslos folgenden PHILHARMONISCHEN ORCHESTER und dem CHOR und EXTRACHOR (Leitung Joseph FEIGL) läßt er das Stück zumindest musikalisch stattfinden. MK