"ARABELLA" - 14. März 2010

"Aber DIE Richtige" hätte es diesmal eigentlich heißen müssen, denn Marion AMMANN war die ideale Arabella, persönlichkeitsstark, interessant herb in der Optik und mit einer jugendlich klaren, ein ganz klein wenig kühlen Stimme, der die Strauss'schen Bögen keinerlei Mühe machten. Was aber noch wichtiger war: hier sang jemand mit Wissen um die Möglichkeiten, einem Text nicht nur mittels exzellenter Diktion, sondern auch über die Klangfarbe oder kleine Veränderungen in der Betonung ganz besonderes Gewicht zu verleihen; eine Raffinesse, ohne die die Texte von Hofmannsthal schon einmal leicht ins Banale abrutschen können, mit der sie aber jene in der Schwebe befindliche Künstlichkeit bekommen, die ihren ganz eigenen Reiz ausmacht.

Antonio YANG konnte da als Mandryka nicht mithalten, zu stark - und im Laufe des Abends stärker werdend - ist der Akzent, der für sich genommen die Fremdheit der Figur im Wiener Umfeld ja noch betont (auch wenn das durch die Besetzung der Grafen Domink und Lamoral mit koreanischen Landsleuten stark relativiert wird). Aber man hört zu sehr, daß der Sänger in diesem Punkt mit der Partie noch nicht wirklich fertig ist - wohl auch noch nicht fertig sein kann; der Mandryka ist keine Figur, die man bei einem Rollendebüt mit eins, zwei,...auf die Bühne stellt. Ich erinnere mich an Wolfgang Brendel, dessen zweiten Mandryka überhaupt ich 1983 in München sah. Der stand damals an der Rampe und fixierte den Dirigenten. Da ist Yang sowohl in der Darstellung als auch sängerisch sehr viel weiter im Vergleich. Höhen und Tiefe der weitgespannten Tessitura kommen ehrlich ausgesungen und mit der nötigen Kraft, aber ohne Kraftmeierei. Und für die lyrischen Passagen steht ihm ein schönes Legato zur Verfügung.

Man hört - und sieht - jedenfalls, warum sich Arabella für ihn und gegen Matteo entscheidet. Timothy RICHARDS ist mit steifer Tongebung und ebensolchem Spiel die fast schon vorhersehbare Schwachstelle der Aufführung; vorhersehbar deshalb, weil selbst größte Häuser kaum eine adäquate Besetzung für die undankbare Rolle aufzubieten haben. Insofern war es wieder einmal unklar, wieso Zdenka ausgerechnet diesen Herrn haben möchte, zumal der glockenreine und höhensichere Sopran von Anne BAXTER, der sich im Damenduett hervorragend mit der Stimme von Marion Ammann mischte, dem Angebeteten deutlich überlegen war.

Wenn es denn schon ein Tenor sein muß, dann hätte ich an ihrer Stelle eher beim mit Charme und vokalem Schwung aufwartenden Elemer des Daniel SZEILI zugegriffen, der nur das Pech hatte, daß er - genauso wie seine soliden Kollegen Jundong KIM (Dominik) und Jin-Soo PARK (Lamoral) -, von der Regie arg albern dargestellt wurde, so daß die Drei kaum als ernsthafte Bewerber um Arabella in Betracht kamen.

Die wirklich komödiantische Seite des Stücks kam beim Grafenpaar von Martin BLASIUS und Veronika WALDNER zum Tragen, weil beide nicht überziehen mußten und mit ihren Charakterzeichnungen wunderbar haarscharf an der Realität vorbeischrammten. Obendrein zeigte vor allem Frau Waldner, daß man diesen Figuren auch mit urgesunder Stimme beikommen kann, so man diese nur dezent einsetzt. Ihr Bühnengatte klang daneben schon deutlich älter, was der Partie aber nicht schadet.

Neben dem Matteo hat Strauss mit der Fiakermilli gleich noch eine weitere undankbare Rolle geschaffen. Das ist nicht wirklich musikalisch interessant, aber technisch ungemein schwer - und kräftig störend, wenn es schief geht. Die Sorge mußte man bei Andrea STADEL allerdings nicht haben. Im Passaggio gab es einige unschöne Töne, aber die Extremhöhe kam blitzsauber und ohne hörbare "Arbeit".

Über die Qualitäten des LÜBECKER ORCHESTERs habe ich schon des öfteren geschrieben. Und auch diesmal konnte man über die sicheren Bläser und die Tonschönheit in vielen Streicherpassagen nur staunen. Und Roman BROGLI-SACHER sorgte mit flotten Tempi und dramatischem Zugriff dafür, daß selbst der dramaturgisch so leicht durchhängende 3. Akt nicht fad wurde. Leider tat er aber dabei dynamisch zu viel des Guten, das Orchester wurde zunehmend zu laut, worunter nicht nur die Balance sondern auch die Textverständlichkeit litt. Da wäre weniger mehr gewesen.

Als genau richtig - wenn man von der oben gemachten Einschränkung absieht - erwies sich die Regie von Kay KUNTZE. Er beließ das Stück in der Zeit und konzentrierte sich auf die Zeichnung der Charaktere, denen er klares Profil angedeihen ließ, was auf dem bewußt verknappten Bühnenbild von Benita ROTH vor allem einmal handwerklich erstklassige Arbeit war. Denn häufig diente nur ein mit einem Teppich ausgelegter variabler Steg, dem mit einigen Requisiten der jeweilige Raum zugeordnet war, als Spielfläche; die Treppe des Hotels erschien gar als glatte diagonale Schräge, bei der nur der unten stehende Portier den Ort vorgab. Und der tiefer gelegte Ballsaal, von dem zunächst nur die Schatten der Tänzer zu sehen waren, ließ zwischendurch auch jenen Tanz auf dem Vulkan erahnen, dem Hofmannsthal & Strauss sich mit der Sujet-Wahl vielleicht ganz bewußt hatten entziehen wollen. Als reizvoller Kontrast dazu schwebte Millis Kutsche vom Bühnenhimmel herab; nicht ohne ironische Brechung freilich, da sie in selbiger auch noch ein florierendes einschlägiges Etablissement unterhielt - was man, wenn man es denn boshaft sehen wollte, auch als Frage nach "wie soll man heut als Sänger von der Gage allein leben?" deuten konnte. HK