"MEFISTOFELE" - 15. April 2011

Als ich las, daß das Theater Lübeck Arrigo Boitos "Mefistofele" bringt, habe ich mich sehr gefreut, da ich dieses Stück unbedingt live sehen wollte, seit ich es vor Jahren das erste Mal auf einer Aufnahme gehört habe.

Bekannt geworden ist Boito ja eigentlich als Librettist von Verdis Spätwerken. Seine Musik ist ein spannender stilistischer Mix von Verdi, Donizetti, Puccini, Wagner und Offenbach. Was man dem Werk evtl. vorhalten könnte ist, daß es doch arg episodenhaft her kommt, und ein wenig der rote Faden fehlt, aber als großer Fan von "Les Misérables" kann ich da großzügig drüber hinwegsehen...

Daß sich eine gewisse Frustration bei mir einstellte, lag in allererster Linie an der Inszenierung von Heinz-Lukas KINDERMANN - es handelt sich um eine Koproduktion mit dem Pfalztheater Kaiserslautern. Ich hatte niemals den Eindruck, daß der Regisseur sich mit dem Stück irgendwie auseinandergesetzt hat. Das Bühnenbild von der jüngst verstorbenen Heidrun SCHMELZER besteht zum großen Teil aus einem nach hinten sich verengenden gelben Raum, auf dem zahlreiche Symbole abgebildet sind. Eines konnte ich jedoch nicht entdecken: das Fragezeichen... Was auf der Bühne geschah, sah für mich eher so aus wie man sich einen Drogentrip vorstellt. Der stärkste Moment stellt sich bezeichnenderweise dann ein, wenn Kindermann den Protagonisten Spielraum läßt, nämlich in der Wahnsinnsszene der Margerita.

Dem Sänger des Mefistofele Anders PALERDI kann man eigentlich nicht viel vorwerfen. Er bewältigt die Partie ohne Probleme und ist auch ein guter Darsteller, allerdings fehlte mir ein wenig das Verschlagene dieser Figur, die Raffinesse, das Changieren zwischen Gut und Böse.

Dmitri GOLOVNIN wirkte als Faust ab und an etwas angestrengt. Vielleicht liegt ihm die Rolle einfach zu hoch. Im Gegensatz zu dem, was man sonst in dem Fach dort sonst so in den letzten Jahren um die Ohren geschlagen bekam, war es freilich eine Erlösung... Seine beste Leistung zeigte Golovnin im 3. Akt, was sicherlich auch an seiner kongenialen Margerita lag.

Diese war mit Ausrine STUNDYTE herausragend besetzt. Sie schafft es immer wieder mit ihrem intensiven Gesang und ihren nicht minder grandiosen darstellerischen Fähigkeiten, ihre Rollen unglaublich plastisch erscheinen zu lassen. Während bei anderen Sängern das Schluchzen eine oftmals peinliche Note hat, bindet sie es in ihren Vortrag ein, so daß es einfach echt wirkt. Ihre Wahnsinnsszene war schlicht und ergreifend hinreißend.

Auf durchweg gutem Niveau präsentierten sich auch die Sänger der kleineren Rollen. Wioletta HEBROWSKA sang solide die Marta sowie die Pantalis. Agnieszka SOKOLNICKA war eine hörenswerte Elena und Hyo Jong KIM fügte sich als Wagner und Nerèo gut ein.

Am Pult der LÜBECKER PHILHARMONIKER bewarb sich Giacomo SAGRIPANTI Presseberichten zufolge um den vakanten Posten des 1. Kapellmeisters. Der junge Italiener führte das Orchester gut durch die Oper und machte durch interessante Tempi durchaus auf sich aufmerksam.

Einen schier katastrophalen Abend erwischte der durch den EXTRACHOR verstärkte HAUSCHOR unter Joseph FEIGL. Zusätzlich zu einem quakenden Tenor und einem quietschenden Sopran, versemmelten sie allesamt Einsätze am laufenden Band und zeigten sich überfordert. Zweifelsohne gibt es einige Passagen, die verdammt schwer sind, aber das war einfach indiskutabel. Im Wissen um die eigentlichen Qualitäten, möchte ich das aber einfach als einmalige unterirdische Abendform abhaken. WFS