"MACBETH" - 11. Januar 2013

Dieser "Macbeth" war lang erwartet. Musikalisch bot das Lübecker Theater dann als erste Premiere des neuen Jahres auch ganz große Oper.

Einen wesentlichen Anteil hatte daran Matteo BELTRAMI, der den Abend nicht nur sicher leitete, sondern auch in musikalischer Deutung und Tempiwahl eine ausgesprochen interessante Interpretation dieses Verdi-Werkes bot. Machtvoll, aber nie überlaut spielt das PHILHARMONISCHE ORCHESTER auf, aber auch die leisen Momente klangen technisch sauber und musikalisch ausgewogen.

Trotz des langen Wartens zeigte sich, daß gerade jetzt der richtige Zeitpunkt für Gerard QUINNs Macbeth ist. Natürlich bestand kein Zweifel, daß man eine großartige Leistung zu hören und zu sehen bekommen würde. Die Partie war so tadellos einstudiert wie fabelhaft gesungen. Es gab Legato und Italianità im Überfluß. Und doch war etwas anders an diesem Abend. Etwas, das man so noch nicht gehört hatte. Dieser neue, wohl ein wenig dunklere Klang verstärkt das angenehme Timbre und ergänzt den technisch ausgereiften Verdigesang perfekt.

Alessandra REZZA liegt die Lady im Blut. Ihre facettenreiche, Stimme besitzt das richtige Maß an Ecken und Kanten und klingt dabei weder unschön, noch ansatzweise schrill. Das warme Timbre sowie die Sicherheit in den Höhen unterstreichen diesen positiven Eindruck. Vermeintlich mühelos gelangen der Sängerin sowohl die Arien als auch das Brindisi, ohne daß neben der stimmlichen Vollendung die Charakterisierung der Figur auf der Strecke blieb.

Ganz großartig war das Zusammenspiel beider Protagonisten. Eine kurze Geste, ein Blick genügten oft, um die Situation zwischen den Figuren zu skizzieren. Auch stimmlich harmonisierten sie perfekt.

Ungewohnt zurückhaltend und doch rollenkonform ließ Dmitry GOLOVNIN seinen Macduff in den meisten Szenen agieren. Die Arie nutzte er dann allerdings dann doch zur Profilierung. Mit tenoraler Strahlkraft und klug eingesetzten musikalischen Mitteln verdiente er sich hier die Begeisterung des Publikums. Martin BLASIUS bot als Banquo nur wenig richtig klingende Töne. Es ist abzuwarten, ob dies allein an der Abendform lag.

Tomasz MYSLIWIEC sang einen ausgesprochen schönstimmigen Malcolm. In den weiteren Rollen überzeugten Johan Hyunbong CHOI (Arzt/Diener) und Young-Soo RYU (Mörder) mit ebenso profunden musikalischen Leistungen wie Wioletta HEBROWSKA, die als Kammerfrau stimmlichen Luxus bot.

Großartig disponiert waren auch CHOR und EXTRACHOR, die ihrem Leiter Joseph FEIGL mit einer hervorragenden Leistung alle Ehre machten. Definitiv erste Liga.

In Teilen Norddeutschlands scheint es indes kein gutes Klima für die Inszenierung italienischer Opern zu geben. Auch dieser musikalisch so großartige Abend fand keine adäquate Entsprechung in der szenischen Umsetzung. Im ersten Moment glaubte man ob der Chor-Kostüme an eine populäre Fernsehserie ("Dunsinane Abbey"???), doch das war es nicht.

Eine zeitliche Verlegung von Opern ist nicht neu und war hier garderobentechnisch (Kostüme: Manuel PEDRETTI) zumindest stringent.

Regisseur Alberto TRIOLA hat sich bei seiner Interpretation des Werkes darauf versteift, daß das gesamte Tun und Werden auf der Kinderlosigkeit Macbeth' und der Lady beruht. Kann man machen, das permanente Sortieren und Präsentieren von Kinderkleidung überstrapazierte dies dann aber doch. Die Idee, daß die Lady jeden verfügbaren Mann in ihr Bett zerrt (sogar Banquo, denn dessen Kinder werden schließlich herrschen), paßte ins Konzept.

Störender war da die teilweise recht ungünstige Positionierung der Sänger. So singt die Lady ihre Cabaletta im ersten Akt teilweise aus ihrem begehbaren Kleiderschrank auf der hinteren Bühne (akustisch ausgesprochen ungünstig) und das Trinklied im zweiten zum Teil auf dem Bett stehend, was wohl keinen sicheren Halt bot. Von der Gebärhaltung für ihren letzten Auftritt einmal ganz abgesehen.

Das Bühnenbild (Tiziano SANTI) war mit seinen wenigen Elementen recht übersichtlich. Es steht zu hoffen, daß die längeren Umbaupausen dem ersten Abend geschuldet waren. Allein die Lichtregie (Falk HAMPEL) bot einige wirklich sehr schöne Momente, wie z.B. bei Macbeth' "La vita riprendo!" im zweiten Akt.

Musikalisch ist auch diese Produktion die eine oder andere Reise nach Lübeck wert. Und bei soviel Genuß für die Ohren verliert man sich ohnehin recht schnell in der Musik und vergißt, dem Regiekonzept zu folgen. AHS

P.S. Kann mir jemand sagen, weshalb man das Werk in Lübeck als "Macbetto" spielt?