"DER MANN VON LA MANCHA" - 7. September 2013

Die für uns optimale Umsetzung dieses Musicals von Mitch Leigh und Dale Wasserman haben wir zugegebenermaßen mit der Inszenierung von Axel Heil bereits im Jahr 2005 gesehen. Und so war uns bereits vor der Fahrt nach Lübeck bewußt, daß dieser Standard schwer zu erreichen sein würde.

Um es kurz zu machen. musikalisch liegt das Theater Lübeck hier wieder ziemlich weit vorn. Daß dies so ist, dürfte über weite Strecken dem Protagonisten des Abends sowie der musikalischen Leitung des Abends durch Ludwig PFLANZ zu verdanken sein.

Steffen KUBACH brachte seine beiden Figuren mit der notwendigen Ernsthaftigkeit und hohem Engagement auf die Bühne. In manchen Momenten konnte man sich des Eindrucks nicht erwehren, daß er der einzige dort war, dem das Stück als solches wirklich am Herzen lag. Sowohl der abgeklärte Cervantes als auch der in seiner Traumwelt verhaftete Don Quixote wurden mit viel Liebe zum Detail dargebracht. Stimmlich ist der Bariton gerade auch im Musical zuhause. Nichts klang auch nur für eine Sekunde schnulzig oder übertrieben.

Ihm zur Seite war Theodor REICHARDT als Cervantes' Diener und als Sancho im Spiel sicherlich recht überzeugend. Stimmlich haperte es dann aber doch an der einen oder anderen Stelle.

Bei Vasiliki ROUSSI vermißte man wohl am meisten eine irgendwie geartete Entwicklung ihrer Figur. Außerdem fehlte es ihrer Aldonza irgendwie sowohl in stimmlicher als auch in darstellerischer Hinsicht an Präsenz.

Die kleineren Rollen waren durchweg überzeugend besetzt. Dino DI IORIO wurde zwar zu Beginn des Abends angesagt, bei seinem Auftritt als Padre war davon aber glücklicherweise nichts zu hören. Boris BECKER zeigte für Dr. Carrasco zwar mehr Einsatz als für die Figur des Herzogs. Er wußte aber insgesamt zu überzeugen. Norbert WENDEL lieferte sowohl als Gastwirt, als auch als Gouverneur eine ebenfalls solide Leistung ab.

Steinunn Soffia SKJENSTAD verlieh der Antonia mit der gefälliger Stimme und rollenkonformen Spiel einen herrlich blonden Unterton. Niklas-Philipp GERTL erwies sich bei seinem Auftritt als Barbier als echter Szenendieb. Auch Florian KLEINE, Tomasz MYSLIWIEC, Enrico-Adrian RADU, Yong-Ho CHOI, Mariusz ROGALINSKI und Gisela PRUSEK machten ihre Sache in ihren diversen kleineren Aufgaben wirklich gut.

Das, was man vom CHOR des Theater Lübeck (Leitung: Joseph FEIGL) kollektiv zu hören bekam, war wieder überaus erfreulich und machte viel Lust auf die anstehende "Don Carlos"-Produktion.

Im Norden Deutschlands dürfte Ludwig Pflanz als Dirigent für Musicals so ziemlich unschlagbar sein. Der Entdecker des Jazz in der Operette gab der Musik Leighs einen bigbandartigen Sound und ließ das ORCHESTER den Abend über stets schwungvoll begleiten. Diese Musikform in solch einer hohen Qualität zu spielen, ist eine Eigenart der Lübecker Philharmoniker, die hoffentlich auch in Zukunft erhalten bleibt.

Daß die Inszenierung von Pascale-Sabine CHEVROTON hier nicht mithalten kann, war keine Überraschung. Im Programmheft konnte man u.a. lesen: "Wir haben die Rolle der Tänzerin […] dazu erfunden, um mittels der Körpersprache das auszudrücken, was durch die Sprache nicht formuliert werden kann." Es ist schade, daß die Regisseurin und Choreographin das für notwendig erachtet, gibt es doch gerade in diesem Musical viel musikalischen Subtext, der für jeden Zuhörer, der latent daran interessiert, leicht zu erkennen sein dürfte.

Glücklicherweise ist dem Produktionsteam neben besagter Tänzerin (Cornelia LA MINERA) weder in Bühnenbild (Jürgen KIRNER), noch bei den Kostümen (Tanja LIEBERMANN) oder in der weiteren Umsetzung kaum Neues eingefallen, so daß man der Musik trotz einiger maßlos überzogener bzw. überkandidelter Gags relativ unbehelligt folgen konnte.

Ein wichtiger Punkt ist auch bei diesem Musical aus unserer Sicht wieder die Frage der Originalsprachigkeit. Um die deutsche Version (Robert Gilbert) ist in diesem Fall vielleicht nicht so arg bestellt wie beispielsweise um Lloyd-Webbers "Evita", aber die eine oder andere Pointe geht dann doch schlicht verloren. Der eine oder andere ernsthafte Punkt, versteckt in einem Scherz, verpufft. So stellte sich schlußendlich auch diesem Abend die Frage, weshalb man Musicals (anders als Opern) in diesen Landen eigentlich meistens auf deutsch spielt. AHS