„DER BAJAZZO“ - 11. Mai 2003

Um auf Nummer Sicher zu gehen, wählte Günter NEUMANN für seine erste Inszenierung ein kleines Theater, um nicht an einem großen Haus mit Pauken und Trompeten durchzufallen. Er entschied sich für das Theater Lüneburg (schon, weil zwei seiner Schüler dort engagiert sind: Zdena Furmancockova und Karl Schneider). Es gilt festzustellen, dass er während seiner langjährigen Zusammenarbeit mit Harry Kupfer an der Komischen Oper Berlin doch so einiges mitgenommen hat.

Nach einem eher mittelmäßigen Beginn mit Puccinis Gianni Schicchi (s. Kritik), stand Leoncavallos „Der Bajazzo“ auf dem Programm. Diese Inszenierung besticht v.a. durch ihre Personenführung. Canio ist ein in die Jahre gekommener Star, Nedda eine junge, ballettbegeisterte Frau und Tonio das geifernde Ekelpaket. Bei letzterem hätte ich mir jedoch entweder einen übermäßig noblen Anzug oder etwas heruntergekommene Kostümierung gewünscht, damit sein Charakter noch deutlicher wird. Das Bühnenbild entwarf Barbara BLOCH. Daran wunderte mich lediglich, dass im Hintergrund eine Art Tor mit Vorhang zu sehen war, auf dem „Teatro“ stand – dabei treten die Komödianten doch erst zu Beginn der Oper auf und sind noch nicht da. Sabine MEINHARDTs Kostüme passten mit erwähnter Ausnahme gut in das Konzept hinein.

Almuth Marianne KROLLs Stimme ist mir persönlich zu bieder, zu wenig opernhaft, dennoch schlug sie sich wacker als Nedda. Zu erwähnen ist auch, dass sie offenbar mal Ballett-Unterricht genommen hat, denn es sah recht gekonnt aus, wie sie sich an der Stange verrenkte.

Ulrich KRATZ sang den Tonio mit einer nahezu heldentenoralen Attitüde. Er stellte einen schön bösen Charakter auf die Bühne. Sehr gut war auch sein differenzierter Prolog. Sein Vortrag litt jedoch darunter, dass die Aufführung auf Deutsch war, was eindeutig aus jedem italienischen Stück ein gutes Stück Tempo nimmt.

Günter NEUMANN ließ es sich nicht nehmen, neben seiner Regietätigkeit auch noch als Sänger in Erscheinung zu treten. Auch wenn man stimmlich Abnutzungserscheinungen zu attestieren hat, gelang ihm ein sehr intensives Portrait des Canio, das von zarten Piano-Passagen hin zu vokal entstellten Fortissimo-Ausbrüchen reichte, die jedoch nie zum Selbstzweck gerieten, sondern stets der Interpretation untergeordnet waren. Eine durchaus beachtliche Leistung.

Zwar sang Marcus BILLEN (Beppo) seine „Arie“ im zweiten Akt sehr differenziert, aber mit seiner Stimme kann ich mich überhaupt nicht anfreunden. Ferdinand STEINHÖFEL (Silvio), Thomas FRANKE und Alexander PANITSCH (Dorfbewohner) sind eher unter „ferner liefen“ einzuordnen.

Die relativ gute Leistung des „Schicchi“ konnte Michael SCHMIDTSDORFF (1. Kapellmeister) mit den LÜNEBURGER PHILHARMONIKERN leider nicht wiederholen. Zwar ist es erfreulich, daß auch in der „Provinz“ die Orchester zusammenspielen können, aber es fehlte die große Linie, es wirkte gelegentlich etwas abgehackt. Schade auch, daß der meistens sehr eindringliche Cello-Schlußton im „Vesti la giubba“, bzw. „Hüll’ dich in Tand“ viel zu schnell endete.

Der CHOR (Deborah COOMBE) meisterte seine Einsätze solide.

Bleibt noch eine Frage zu klären: Warum heißt „I Pagliacci“ (Plural) in der deutschen Übersetzung eigentlich „Der Bajazzo“ (Singular)...? Wolfgang Schmoller