"DIE ZAUBERFLÖTE" - 30. Oktober 2005

Als sich bei Beginn der Vorstellung während der Ouvertüre der Vorhang öffnet, hat man noch Hoffnung auf eine clevere Inszenierung (Regie: Wolfgang BARTH, Bühnenbild: Sascha WEIG). Man sieht Sarastro und die Königin als Paar, das sich an den Händen hält, während sich durch den Hintergrund ein Riß zieht. Das sieht ästhetisch aus und zeigt die Vorgeschichte klar und deutlich. Dies blieb dann allerdings auch einsamer Höhepunkt der Regieideen. Im folgenden wird Tamino von den drei Damen begrabbelt und fällt in Ohnmacht (eine Schlange gibt es nicht). Pamina wird von Monostatos zweimal beinahe vergewaltigt, in Sarastros Tempel gibt es phallische Symbole en masse - nur leider wirken die Priester und ihr Anführer sehr eunuchenhaft.

Nach meiner Meinung ist es wichtig, daß Tamino und Pamina Feuer- und Wasserprobe gemeinsam bestehen. Als Tamino mit der Flöte bei der Feuerprobe draußen bleibt und Pamina allein gehen läßt, machte dies im Rahmen des Regiekonzeptes von der unterdrückten Weiblichkeit noch Sinn. Dann werden bei der Wasserprobe jedoch die Rollen getauscht, womit sich der Grund dieser Aufteilung nicht erschließt. Am Ende reicht Sarastro der Königin, deren Damen und Monostatos einen Dolch. Letztere vier bringen sich um, während die Königin sich fügt und zu Sarastro zurückkehrt. Dazwischen ist dem Regisseur nicht sonderlich viel eingefallen. Das alles wirkt teilweise hilflos, teilweise zwanghaft auf den sexuellen Aspekt verengt.

Das Bühnenbild besteht größtenteils aus verschiebbaren Stellwänden, einem Zwischenvorhang und dem Sonnenkreis, den die Priester gelegentlich abstauben. Die Kostüme (Sabine MEINHARDT) schwanken zwischen kleidsam (Königin), wenig aufregend (Priester) und behindernd (Taminos langer Pelzmantel).

Musikalischer Star des Abends war Ulrich KRATZ als Papageno. Der Bariton ist ein echtes Phänomen, denn er singt auf gleichbleibend hohem Niveau Macbeth, Tonio, Pizzaro und wenn es sein muß, auch Operettenknallchargen. Auch bei Mozart sind hier keine Abstriche zu machen. Überaus beweglich, voller spontan erscheinender Einfälle in Phrasierung und Spiel und mit in allen Lagen immer gut sitzender Stimme tobt er durch die Produktion und trägt den Großteil daran, daß einem nicht zu fad wird. Sein "Ein Mädchen oder Weibchen" war der absolute Höhepunkt der Vorstellung.

Gerade in den gemeinsamen Szenen mit diesem Papageno kam Karl SCHNEIDER (Tamino) aus sich heraus und schien Spaß an der Partie zu entwickeln. Übrigens allein bei dem Tenor gab es so etwas wie eine nachvollziehbare Entwicklung vom naiven Prinzchen zum arroganten Sarastro-Anhänger. Er bemühte sich, die Stimme schlank zu führen, es war jedoch festzustellen, daß er damit dem eigentlich dramatisch gewordeneren Klang gelegentlich ins Gehege kam. Seine Pamina (Zdena FURMANCOKOVA) war anfangs erfreulich emanzipiert, wurde aber am Ende als gebrochener Zombie dargestellt. Gesanglich bot sie mit voller Stimme ohne technische Probleme berührende Töne.

Der stimmliche Zustand von Martin EDELBAUER (Sarastro) hat sich nicht verbessert, eher das Gegenteil ist der Fall. Es sind zahllose brüchige Passagen und mangelhafte Intonation zu hören. Leider gelingt es auch in der Darstellung nicht mehr, diese Mängel zumindest aufzuwiegen, denn das Spiel blieb steif. Evelyn WERNER, mit dem kleidsamsten Kostüm des Abends bedacht (langes, dunkles Abendkleid, dessen Kragen bei Bedarf beleuchtet werden kann), war eine königliche Herrscherin der Nacht. Stimmlich bot sie neben einer bemerkenswerten Wortdeutlichkeit in allen Lagen (!) eine gute Tiefe und ordentliche Spitzentöne. Nur dazwischen in der oberen Mittellage schien etwas nicht zu stimmen.

Ihre drei Damen Sylvia BLEIMUND, Judith BRAUN und Nicole DELLABONA zeigten Klasse im Auftreten und im Gesang, wo sie sowohl einzeln als auch gemeinsam vollständig überzeugen konnten. Elena ZEHNOFF nutzte ihren kurzen Auftritt als Papagena, um als entzückendes energisches Persönchen in Erinnerung zu bleiben. Der Monostatos von Arno BOVENSMANN, der von der Regie besonders mit Anspielungen sexueller Gewalt gebeutelt worden war, schaffte es trotzdem, durch schöne lyrische, gut phrasierte Töne Sympathien zu erwecken.

Der Sprecher Markus PAUL hinterließ hinsichtlich der Kultiviertheit von Sprache und Gesang zusammen mit einer schöntimbrierten Stimme einen überaus positiven Eindruck. Gleiches gilt für Wlodzimierz WROBEL (2. Geharnischter, 3. Priester), während Marcus BILLEN (2. Priester) nicht an ihn heranreichte, und Ferdinand STEINHÖFEL (1. Priester, 1. Geharnischter) einige sehr unschöne Töne hören ließ.

Die drei Sklavinnen Elke TAUBER, Dobrinka KOJNOVA-BIERMANN und Kirsten PATT wirken unangenehm aufdringlich, während die drei Knaben zwar nicht tonschön sangen, dafür aber höchst engagiert im Spiel und einfach knuffig waren.

Die LÜNEBURGER SINFONIKER unter Urs-Michael THEUS spielten einen flotten Mozart, der wenigstens orchestral keine Langeweile aufkommen ließ, zudem wurden die Sänger optimal begleitet. Der HAUS- und EXTRACHOR machte seine Sache gut (Einstudierung Deborah COOMBE).

Die Vorstellung hinterläßt auch dadurch einen wenig erfreulichen Beigeschmack, da sie an einem Nachmittag stattfand und zahlreiche Kinder und Jugendliche anwesend waren ("Zauberflöte" ist, Apoll und alle seine Musen mögen wissen warum, noch immer das Stück, mit dem Erwachsene Kindern die Oper nahezubringen versuchen). Ob man ein so junges Publikum wirklich mit derart zwanghaft ausgeführten sexuellen Anspielungen konfrontieren muß, bleibt für mich fragwürdig. MK