"EUGEN ONEGIN" - 30. September 2012

Die erste Premiere der Saison 2012/2013 war Tschaikowskis "Eugen Onegin". Gespielt wurde die deutsche Version, dessen Übersetzer Wolf Ebermann und Manfred Koerth über dem Bemühen um sich reimende Verse offenbar vergessen haben, ob das ganze auch wirklich gut klingt.

Für die Regie zeichnet der Intendant Hajo FOUQUET verantwortlich. Wirklich aufregend oder neu war die Inszenierung nun nicht. Es war eine grundsolide Produktion. Die Idee, daß Tatjana offenbar so etwas wie ein "Groupie" sein soll, die ihren Brief auf überdimensionalem Papier schreibt, hätte man weiter ausführen können. Weshalb das Duell offenkundig in einem Raum stattfindet, und Triquet aussieht wie ein Hofnarr-Azubi, wird das Geheimnis von Fouquet und seinem Ausstatter Stefan RIECKHOFF bleiben... Die Tatsache, daß im 6. Bild nicht getanzt wird, ist sicherlich dem Umstand geschuldet, daß drei Viertel der Bühne von einer Treppe eingenommen werden, und ein Tanz vermutlich ausgesehen hätte, als würden Forellen in einer Sardinenbüchse schwimmen.

Die Figur des Lenski habe ich bisher immer als etwas zurückhaltenden, eher nachdenklichen Feingeist empfunden, der in der lebensfrohen Olga das findet, was er in seinem Leben vielleicht ein wenig vermißt. Karl SCHNEIDER war mir eine Spur zu temperamentvoll. Es war aber dennoch herrlich, mit welcher Verve er sich in seine Arie reingeschmissen hat.

Mit der Interpretation von Ulrich KRATZ (Onegin) war ich im ersten Teil nicht ganz einverstanden. Er kam einfach zu unnahbar herüber. Das ist sicherlich auch eine wesentliche Eigenschaft, die dieser Figur innewohnt, bei ihm driftete es jedoch schon fast ins unpersönliche ab, so daß sich mir nicht so ganz erschloß, was an diesem Dandy nun so interessant sein soll. Das wandelte sich allerdings komplett in den letzten beiden Bildern, in denen er leidenschaftlich um die Verlorene kämpfte, ja teilweise schon fast manische Züge an den Tag legte.

Seine Tatjana wurde von Sonja GORNIK hingebungsvoll gesungen. Die Wandlung von dem kleinen verliebten Mädchen zur erwachsenen Frau gelang ihr sehr gut. Man kaufte ihr diese beiden Seiten jederzeit ab. Es ist bedauerlich, daß dies ihre letzte Saison in Lüneburg ist. Ab der nächsten Spielzeit wird sie Linz musikalisch zu beglücken wissen.

An Hans-Georg AHRENS scheint das Alter spurlos vorbei gegangen zu sein. Sein Gremin ist für Tatjana vermutlich kein reicher, alter Notnagel. Kristin DARRAGHs angemessen lebensfrohe Olga machte Lust auf mehr. MacKenzie GALLINGER sang den Triquet schon fast "zu gut" - ein bißchen mehr "Möchtegern-kann-aber-nicht-tu-aber-so"-Attitüde darf es gerne sein. Er ist sicherlich ein guter Mozart- und Rossini-Tenor.

Dobrinka KOJNOVA-BIERMANN gab eine gute Larina, Kirsten PATT eine ältliche Filipjewna. Wlodzimierz WROBEL (Saretzki) und Steffen NEUTZE (Hauptmann) ergänzten solide.

Unter Gernot SAHLERs Leitung ließen die LÜNEBURGER SINFONIKER streckenweise einen wunderbar süffigen Klang vernehmen. Insgesamt fehlte jedoch etwas die Spannung und Dynamik, gerade in den orchestralen Steigerungen wie z. B. der Dämmerung nach Tatjanas Briefszene. Diese dürften gerne drängender sein. Die kleinen Unsicherheiten zu Beginn des 4. Bildes in den ansonsten sehr guten Streichern seien der Vollständigkeit halber erwähnt. Der HAUS- und EXTRACHOR des Hauses unter Deborah COOMBE absolvierte seinen Part ohne Fehl und Tadel. WFS