"DRACULA" - 29. November 2012

Mit "Dracula" brachte das Theater Lüneburg innerhalb von vier Jahren nach "Jekyll und Hyde" das bereits zweite Musical von Frank Wildhorn auf die Bühne. Und auch wenn das Stück weder von der Komposition noch szenisch an diese Produktion heranreicht, so bewies das Haus doch erneut seine große Kompetenz in dem Genre.

Die Regie übernahm Chefdramaturg Friedrich von MANSBERG. Im Großen und Ganzen ist eine sehr solide (wenngleich nicht immer verständliche) Inszenierung entstanden, die mit guter Personenführung und Kurzweil durchaus zu gefallen weiß, allerdings fehlte mir ein klein wenig die düstere Atmosphäre. Die sicherlich diskussionswürdige, hier aus dem Konzept aber nicht zwingend hervorgehende Pointe bildete die Erschießung Minas durch ihren Mann Jonathan.

Für die Ausstattung zeichnet Barbara BLOCH verantwortlich, dessen stylisches Hotellounge-Bühnenbild an erwähnten "Jekyll" gemahnte. Die Kostüme paßten dort gut hinein. Dracula wirkte in seinem langen Mantel und der Sonnenbrille wie Prince (oder wie auch immer der sich gerade nennen mag), und bei van Helsing kamen mir leichte Assoziationen zu Thomas Gottschalk in den Sinn, was deren gut choreographierten Kampf mit dem herrlich antiklimaktischen Ende, eine leicht skurrile Note gab. Unter den Solisten ragten vor allem Gerd ACHILLES als Dracula und Kristian LUCAS als Jonathan Harker heraus. Ersterer hat ein etwas verwaschenes Timbre, das nicht so ganz meins ist, jedoch vermochte er dieses durch eine ausgefeilte Interpretation bestens vergessen zu machen. Er machte den Unterschied zwischen dem mystischen, unnahbaren, aber gleichzeitig interessanten Wesen und dem seines bisherigen Lebens überdrüssigen Menschen jederzeit glaubhaft deutlich.

Kristian Lucas war ihm ein durchaus ebenbürtiger Gegner, der durch seine etwas kalte Art sicherlich auch seinen Teil dazu beigetragen hat, daß Mina sich für Dracula entscheidet. Seine Stimme hat sich seit seinem Marius ("Les Misérables") vor einigen Jahren sehr positiv weiter entwickelt.

Annabelle MIERZWA (Lucy) mußte aus mir unerfindlichen Gründen ihren Part angeschickert absolvieren. Dieses tat sie jedoch sehr ansprechend und überzeugend. Schade, daß die Rolle so kurz ist.

Die Besetzung der Partien Mina und van Helsing erwies sich als problematisch, da beide Interpreten eigentlich Opernsänger sind, was sie natürlich nicht automatisch zu schlechten Musicaldarstellern macht, hier jedoch schon eher negativ auffiel. So war mir der Vortrag von Franka KRANEIS zu manieriert, zu gekünstelt, was auch ihre ansonsten gute Darstellung und Interpretation nicht so recht wettmachen konnte.

Ungleich unglücklicher war die Entscheidung, Karl SCHNEIDER den van Helsing anzuvertrauen. Zwar konnte er in seinem zweiten Song absolut überzeugen, ebenso erwies er sich als äußerst sicher und mit gutem Timing in den Dialogen, dennoch wirkte seine doch sehr gutturale Stimme und seine sehr opernhafte Singweise wie eine Art Fremdkörper, was gerade im Kampf mit Achilles auffiel. Es ist mir ein Rätsel, weshalb diese Rolle nicht mit Ulrich Kratz besetzt wurde, welcher sowohl in der Oper als auch im Musical eigentlich immer eine gute Figur macht.

Daß es auch anders geht, zeigte MacKenzie GALLINGER, der einen wundervoll skurrilen Renfield gab und sich einmal mehr als ungemein spielfreudiger Szenendieb erwies. In den weiteren Rollen ergänzten Steffen NEUTZE (Dr. Jack Seward), Oliver HENNES, der für Marcus Billen als Quincey Morris einsprang und Volker TANCKE als Arthur Holmwood solide.

Am Dirigat des bedauerlicherweise scheidenden GMD Urs-Michael THEUS am Pult der LÜNEBURGER SINFONIKER gibt es wenig zu kritteln. Einzig und allein daß die E-Gitarre etwas zu dumpf war, ließe sich anmerken. Der HAUS- und EXTRACHOR (Deborah COOMBE) lieferte erneut eine solide und homogene Leistung ab. Letzteres kann man vom BALLETT (Choreographie Kerstin KESSEL) nicht immer behaupten. Ein bißchen mehr Synchronität wäre schön. WFS