"LUCIA DI LAMMERMOOR" - 21. September 2013

Um es gleich vorweg zu nehmen: ja, es gibt sie, die Turmszene, und es ist definitiv ein musikalischer Höhepunkt dieser Produktion.

Dem Lüneburger Intendanten Hajo FOUQUET ist insgesamt eine Regiearbeit gelungen die gerade auch in ihrer fokussierten Schlichtheit überzeugt. Die Inszenierung erzählt die Geschichte, die von Sir Walter Scott geschrieben und von Gaetano Donizetti vertont wurde. Punkt. Es wird auf jeglichen Schnickschnack verzichtet, was gerade auch mit Blick auf die aktuelle Hamburger Produktion eine echte Wohltat ist.

Stefan RIECKHOFF, der für Bühnenbild und Kostüme verantwortlich zeichnet, erhält schon wegen der großartigen Highlandbilder, die auf den Bühnenhintergrund und die Seitenflächen projiziert wurden, einen Pluspunkt. Die kargen Requisiten passen sehr gut zur Stimmung der Produktion insgesamt. Vielleicht hätte man auf das Pferd Edgardos verzichten können, doch es brachte immerhin Lacher. Die Kostüme erwiesen sich als grundsätzlich zweckmäßig und dem jeweiligen Charakter angepaßt.

Auf der Sängerseite hatte der Abend ebenfalls eigentlich fast alles, was man sich wünschte.

Karl SCHNEIDER sang Edgardo als hätte er seit Jahren nichts anderes getan. Am Premierenabend steigerte er sich überdies von Szene zu Szene und gab Donizettis Helden mit seinem hier ausgesprochen passenden Timbre eine musikalisch vollendete Darbietung. Den höchst tenoralen Charakter zu zeichnen, würde dem Sänger vermutlich auch im Schlaf gelingen. Glücklicherweise wurde hier zugunsten einer recht leidenschaftlichen Interpretation auf Standardgesten verzichtet.

Ulrich KRATZ zeichnete Enrico mit einer Reife, die der Figur sonst zumeist fehlt, Lucias Bruder aber gut zu Gesicht stand. Mit jeder Phrase, jeder Bewegung wurde die entsprechende Stimmung Enricos aufgezeigt, und gerade die Zerrissenheit zwischen brüderlichen Gefühlen und Pflicht fand in der erstklassigen gesanglichen Umsetzung eine adäquate Wiedergabe.

Schlußendlich wünscht man sich nur, der Sänger würde etwas mehr auf sein Können verlassen. Ein wenig von der Chuzpe seines Tenorkollegen würde vielleicht die latent spürbare Anspannung verschwinden lassen.

Die Turmszene wurde, wie bereits eingangs vermerkt, von beiden Sängern meisterhaft und mit viel Liebe zum gegenseitigen Kräftemessen gesungen. Dem Abend wurde so eine zusätzliche Dynamik verliehen, was vom Publikum auch mit begeistertem Applaus belohnt wurde.

Die überschwengliche Begeisterung für Ruth FIEDLERs Lucia konnte man indes nur schwer nachvollziehen. Ja, es war alles hübsch gesungen, auch wenn man an den Höhen z.T. etwas mäkeln könnte, doch ihrer Figur fehlte es an Tiefe im Spiel, an Charakter. Es wäre schön, wenn die Sängerin trotz Belcanto vielleicht etwas mehr Augenmerk auf die Darstellung der Figur legen würde. Nur ätherisch ist auf Dauer etwas langweilig.

Wlodzimierz WROBEL war in Gesang und Spiel ein großartiger Raimondo, und so ist es wirklich schade, daß man ihm das Duett gestrichen hatte.

MacKenzie GALLINGER gab bei seinem kurzen Auftritt als Arturo der Figur viel Persönlichkeit und ließ eine interessant timbrierte Stimme hören. Hier hätte man sich ein längeres Bühnenleben gewünscht. Auch von Kristin DARRAGH (Alisa) hätte man gern mehr gehört. Marcus BILLEN hatte als Normanno doch etwas zu kämpfen. Zu machtvoll waren Chor und Orchester streckenweise für seine Stimme.

Eine der unbestrittenen Meisterleistungen dieser Premiere hörte man von CHOR und EXTRACHOR. Wie es diesem zahlenmäßig kleinen Klangkörper gelang, einen stimmlich derart machtvollen Eindruck zu hinterlassen, war über die Maßen beeindruckend.

Der neue GMD Thomas DORSCH leitete den Abend erwartungsgemäß sehr gut und zeigte dabei ebensoviel Gefühl für die italienische Musik wie für sein Gesangsensemble. Und so präsentierten sich die LÜNEBURGER SYMPHONIKER bestens disponiert und klangstark, eben wie man es von ihnen gewohnt ist.

Die Produktion sollte man auf keinen Fall verpassen, ist sie doch ein weiterer Beweis für die hohe Qualität der Lüneburger Opernproduktionen. AHS