"MANON LESCAUT" - 12. Oktober 2002

Wie es Herbert Grönemeyer schon sehr präzise formulierte: "Was soll das?" Diese Frage stellt sich automatisch beim Betrachten der schwarzen überdimensionierten Treppe, die das ganze Bühnenbild (Ausstattung: Wolfgang GUSSMANN) ausfüllt. Hierin hat Regisseur Andreas HOMOKI eine Abendgesellschaft gestellt. Von der Personenregie her passiert kaum etwas, keine Leidenschaft, oder gar Beziehung zwischen den Figuren; die Sänger bleiben sich selbst überlassen, dürfen diese Treppe auf und ab klettern. Dem Stück bringt dies überhaupt nichts. Mehr kann man zu dieser Nicht-Regie nicht sagen.

Zudem tragen alle Damen schwarze Abendkleider, alle Herren schwarze Abendanzüge mit weißen Hemden. Das Stück wird pausenlos gespielt, diese Farbgebung hat man spätestens nach dem 1. Akt satt, man sehnt sich so sehr nach anderen Farben, daß sogar schon Lescauts blaß-blau-gestreifte Unterhose, als er sich im 2. Akt aus dem etwas billigen Rüschenhemd in einen gediegenen Smoking umkleiden läßt, ein farbliches Highlight darstellt.

Norma FANTINI in der Titelrolle verfügt über einen angenehmen Sopran, der in jeder Lage gleich gut anspricht. Nur, sie klang den ganzen Abend über gleich. Es gab weder gesanglich noch darstellerisch eine Wandlung vom Mädchen über die Kokotte zur Leidenden. So konnte man kaum mit ihr mitfühlen. Man hätte sich gefreut, wenn Hugh SMITH (DesGrieux) wenigstens die korrekten Notenwerte gesungen hätte, nur kam er häufig nicht einmal in deren Nähe. In der tiefen Lagen gab es einige Phrasen, die nicht ganz katastrophal klangen, aber in den oberen Bereichen wurde die Stimme so eng, daß allein das Zuhören einem die Kehle schon zuschnürte.

Lucio GALLO macht stimmlich und darstellerisch alles aus dem Lescaut, ist in jeder Sekunde präsent, versucht, die Tristesse zu beleben, aber die Rolle ist einfach nicht groß genug, um über die inszenatorische Ödnis hinwegzutrösten. Einzig Peter MARSH als Edmondo bemüht sich ebenfalls noch darum, daß auf der Bühne etwas passiert. Mit seiner Bühnenpräsenz und seinem schlanken Tenor stiehlt er DesGrieux im 1. Akt glatt die Show.

Absolut ungenügend der Geronte de Ravoir von Karl HELM. Man sehnte das Ende seiner Szenen geradezu herbei, um dann entsetzt festzustellen, daß er auch im 3. Akt an der richtigen Tonhöhe vorbeisingen durfte. In diversen Kleinrollen fielen Rüdiger TREBES, Ulrich Reß, Helena JUNGWIRTH und Kevin CONNERS weder negativ noch positiv auf.

Der CHOR DER BAYERISCHEN STAATSOPER (Leitung: Udo MEHRPOHL) wackelte an einigen Stellen bedenklich, gleiches taten insbesondere die Bläser des BAYERISCHEN STAATSORCHESTERs. Immerhin war die Solo-Violine im Intermezzo mit sehr schönen Strich gespielt. Fabio LUISI zeigte viel Gefühl für Puccinis Musik, reagierte sensibel auf die Sänger und gestattete auch das Schwelgen, wo es angemessen war. Retten konnte auch er den Abend nicht.

Die Bayerische Staatsoper wird wissen, warum sie das Stück ohne Pause spielt; die Fluchtquote kann so niedrig gehalten werden. MK