„THE LAST DAYS OF V.I.R.U.S“ - 7. Juni 2003

Zum siebten Mal fand heuer das A.Devantgarde-Festival für neue Musik in München statt. Ein Festival gegründet und hartnäckig weiter betrieben von jungen Komponisten. Neben z. B. einem Liederabend für Bariton und Klavier mit eigens dafür komponierten Liedern von je drei KomponistInnen aus vier Ländern und einer Kinderoper als Gemeinschaftswerk von sechs KomponistInnen stand am Ende die Uraufführung einer Oper, auch die wiederum ein Gemeinschaftswerk von sechs KomponistInnen.

„The last days of V.I.R.U.S.“ gab als Hintergrund die Geschichte zweier Forscher, die einen fürchterlichen Virus entwickeln und auf die Menschheit loslassen. Verantwortlich für die Ausgangssituation, sowie die Zwischenstücke und den Schluß zeichnete der Festivalmitbegründer Moritz Eggert. Die fünf weiteren KomponistInnen waren völlig frei, die Geschichte weiterzuspinnen oder auch nur auf sie zu reagieren. Was dabei herauskam, war eine heterogene Mischung sehr eigenwilliger Stile, die die Regisseurin Florentine KLEPPER irgendwie bündeln mußte. Dies ist ihr sehr gut gelungen, hatte sie doch schon während der letzten Musiktheater-Biennale bewiesen, daß sie ein Händchen für das Zeitgenössische hat.

Das Orchester (ENSEMBLE PIANO POSSIBLE) sitzt vor einem hohen mehrstufigen Gerüst, welches mit Folie verkleidet ist. So können bei Bedarf kleine „Fenster“ geöffnet und bespielt, oder die Folie als Projektionsfläche genutzt werden, was eine Fülle von Bildern ermöglicht.

Sei es nun für Sandeep Bhagwatis durch Zuspielungen unterstützter Sex-Chat, bei dem der Virus für sprachliche Verwirrungen sorgt. Sei es für Ricardo Zohn-Muldoons als Kaspertheater dargestellte Geschichte der Eltern, deren Sohn sich wegen Ungehorsam langsam auflöst, so wie auch diese Oper ein work in progress ist. Sei es die fast mythische Todeserzählung von Maxim Seloujanow, sei es das „drama in 540 seconds“ von Ketty Nez, bei dem Batman und Kingkong ihren Auftritt haben oder das beinahe zufällige Zusammentreffen von vier Personen in „Just Look“ des Mexinkaners Carlos Sanchez. Letzterer war für mich die Entdeckung des Abends, mit perfekter Abstimmung und Balance zwischen Stimme und Musik und der Fähigkeit zu dramatischem Aufbau auch ohne viel fortschreitender Handlung. Ob das Ganze am Ende gut ausging, hing wohl davon ab, ob man Virus oder Mensch ist.

Nach gut einer Stunde war man um viele Eindrücke reicher, und beruhigt darüber, was individueller Einsatz auch in diesen Zeiten leerer öffentlicher Kassen noch zu bewegen vermag. Kerstin Schröder