„WERTHER“- 13. September 2003

Sehr wohltuend, für Augen, Herz und Ohren, diese Neuproduktion des Münchner Gärtnerplatztheaters! Das schwelgerische Drame lyrique von Jules Massenet, der nicht zu Unrecht von seinen Zeitgenossen auch „compositeur de la tendresse“ genannt wurde, war perfekt in Szene gesetzt von Julia RIEGEL. Caroline NEVEN DU MONT (Bühne und Kostüme) hatte die ersten Bilder vor einem großen dunkelblauen Himmelhintergrund stattfinden lassen. Den Innen- oder Außenraum begrenzte ein schlichter Prospekt, auf dem Häuser gezeichnet waren. Bäume, ein wenig Mobiliar deuteten den jeweiligen Spielort an. Erst im letzten Bild ändert sich diese trauliche Idylle: Der Prospekt wird hochgezogen. Wir sehen eine kahle Fläche, auf der in dichtem Schneefall Johann die letzten Blumen sucht und den sterbenden Werther findet.

Dieser klar gegliederte Bühnenraum ohne überflüssigen Schnickschnack ebenso wie ohne visuelle Provokation gibt den Sängern in jeder Beziehung Raum zur Entfaltung. Wenn man von einigen Textunverständlichkeiten absieht, die eventuell auch durch die deutsch gesungene Aufführung verursacht waren, war dieser Abend auch akustisch eine echte Freude: Scott MACALLISTER sang mühelos und mit verzehrender Leidenschaft einen Werther, an dem auch Herr von Goethe seine Freude gehabt haben dürfte. Seine Angebetete war Ann-Katrin NAIDU, deren blühender Mezzo die zwiespältigen Gefühle und die Zerrissenheit der Charlotte perfekt charakterisierte. Gary L. MARTIN als solider Albert war ein durchaus ernst zu nehmender Konkurrent für Werther.

Die übrigen Partien waren u.a. mit Martin HAUSBERG (Amtmann), Michael GANN (Schmidt) und Márta KOSZTOLÀNY (Sophie) sehr gut besetzt.

Erfreulich auch das ORCHESTER, das unter Constantinos CARYDIS die süße Melodik und die sinfonische Zartheit so transparent zu Gehör brachte. Ein schöner Abend, an dem man sich beglückt zurücklehnte und gebannt mit Augen und Ohren dem Geschehen auf der Bühne folgte. Jakobine Kempkens