„FEUERSNOT“ - 25. Mai 2003

Was tut ein Mann mit übergroßem Ego, überreicher musikalischer Begabung und einem Haß auf seine Vaterstadt, hier München? Er schreibt eine Oper. Dazu nimmt er eine Geschichte, irgendwann in alter Zeit, in der Kunrad der Ebner von der Stadt, auch hier München, geschmäht und von der Liebsten verspottet wird, und welcher sich rächt, indem er der Stadt durch Zauber das Licht raubt, bis die Schöne sich ihm hingibt. Dies aber nicht, bevor er nicht allen deutlich die Meinung gesagt hätte. Ebenfalls nimmt er Musikzitate und Libretto-Anspielungen, reichlich von beidem, von dem Komponisten, der nicht nur Vorbild („Meistersinger“), sondern Übervater ist, und komponiert unter reichlich Einsatz des eigenen Talentes die „Feuersnot“ des Richard Strauss.

Hellmuth MATIASEK nimmt in seiner Inszenierung für das Gärtnerplatztheater Rücksicht auf das Münchner Gemüt. Die Stadt ist kaum zu erkennen, mal eine kleine Bavaria im Hintergrund oder eine schwarz-gelbe Fahne, ansonsten könnte es jede Stadt sein, die sich in den kantig expressionistischen Bildern spiegelt (Bühne: Heinz HAUSER). Aber das Strauss sich selbst als Kunrad sah, daran läßt Matiasek keinen Zweifel. Gleich zu Beginn stürzt jener verzweifelt aus der Tür der Villa Wahnfried und beginnt, heftig zu komponieren. Schnauzbart und Haarschnitt sind ebenfalls eindeutiges Indiz für den jungen Strauss. Die Inszenierung verläuft sich allerdings nach diesem vielversprechenden Beginn zwischen Rapunzelhaar, Trachtenansammlungen und wallenden Rheintöchtern, ohne wirklich Biß zu entwickeln. Einzig wenn das Licht verschwindet, entsteht ein bis in den Zuschauerraum fließender hell-dunkler Tunnel (Licht: Georg BOESHENZ), der die Magie wirkungsvoll bedrohlich in Szene setzt.

Die selten gespielte Oper, die letzte Münchner Inszenierung liegt gut 20 Jahre zurück, erfordert einen immensen Aufwand. Chor und Extrachor und ein so großes Orchester, daß man vom Gärtnerplatz ins Prinze wechseln mußte, bringen Mensch und Material an ihre Grenzen. Während David STAHL mit seinem ORCHESTER traumhaft musiziert, vom spielerischen Walzer bis zum monumentalen Ausbruch, und die Klanggewalten immer wunderbar transparent hält, sind die beiden Sänger der Hauptpartien mit ihren Rollen doch etwas überfordert.

Sowohl Elizabeth HAGEDORN als Jungfer Diemut als auch Thomas GAZHELI als Kunrad haben große Mühe in der Höhe, was sich nicht zuletzt vernichtend auf die Textverständlichkeit auswirkt. Wie anders da der Bürgermeister Sentlinger, Diemuts Vater, von Christoph STEPHINGER. Hier ist jedes Wort zu verstehen und die Stimme in jeder Lage ein Genuß. Auch die zu Rheintöchtern mutierten Freundinnen Diemuts Elsbeth (Merit OSTERMANN), Wigelis (Regine MAHN) und Margret (Olivia POP) bilden einen schönen Zusammenklang.

Vielleicht kann man auch diesmal wieder ein paar Jahre geduldig auf die nächste Auseinandersetzung mit der „Feuersnot“ warten...
Kerstin Schröder