"CATONE IN UTICA" - 25. Oktober 2003

Wie spannend und kurzweilig (Inszenierung) und faszinierend (Dirigat) Barockoper sein kann, zeigte das Ensemble des Gärtnerplatztheaters mit dieser Ausgrabung. Anläßlich der Feierlichkeiten zu „350 Jahre Oper in München“ und dem zweihundertfünfzigjährigen Bestehen des Rokokojuwels Cuvilliéstheater führte man im Rahmen einer „Residenzwoche München“ diese Oper des damaligen Hofkomponisten Giovanni Battista Ferrandini zum zweiten Mal seit ihrer Uraufführung in München auf. Zusammen mit einem großen Fest und Feuerwerk wurde das Werk seinerzeit, vor 250 Jahren, zum 26. Geburtstag seiner Kurfürstlichen Durchlaucht Max III. Joseph und zur Eröffnung des neuen Cuvilliéstheaters gespielt.

Heutzutage verzichtete man auf Fest und Feuerwerk (zum Bedauern einiger Zuschauer) und gab sich ganz dem sprühenden musikalischen Füllhorn der NEUEN MÜNCHNER HOFKAPELLE unter Christoph HAMMER hin: Welch’ ein Genuß und welch’ eine Delikatesse! Auf der Bühne plaziert, auf historischen Instrumenten spielend, ließen die Musiker Ferrandinis Komposition in allen Farben erblühen, entfalteten ein manchmal rasantes Tempo und bereiteten so den Sängern und deren zum Teil wahnwitzigen Koloraturen einen perfekten Klangteppich.

Auf der verbleibenden eher kleinen Spielfläche postierte Regisseur Peer BOYSEN die Darsteller in großen Sesseln und ließ sie auf einem in den Zuschauerraum führenden Steg und im Parkett agieren. Durch diese „Nähe“ wurde das Publikum in das virtuose (Schau-) Spiel der Darsteller quasi mit einbezogen:

Kobie van RENSBURG als größenwahnsinniger Catone mit stählerner Tenorstimme und profunden Koloraturen; sein Gegenspieler Cesare, ein schicker, blasiert-arroganter Dressman, Robert CROWE animierte mit seinem strahlenden Sopran und brillanten, halsbrecherischen Koloraturen die Zuschauer mehrmals zu begeisterten Bravi.

Etwas blass blieb der unglückliche Numiderfürst Arbace (Johnny MALDONADO). Fulminant dagegen Cäsars opportunistischer Getreuer Fulvio (Florian SIMSON). Auch die Damen Marzia, Tochter Catones, (Simone SCHNEIDER) und Emilia, Witwe des von Cäsar ermordeten Pompejus, (Sandra Moon) berührten mit lyrischem Espressivo und temperamentvoller Attacke. Letzteres sogar buchstäblich, wenn Sandra Moon als rächende Witwe mehrmals auf Cäsar mit dem Messer losgeht.

Der Lorbeerkranz für diesen packenden Opernabend gebührt aber eindeutig dem Dirigenten und Musikwissenschaftler Christoph Hammer, der mit archäologischer Akribie Ferrandinis Werk ausgrub und aus den ursprünglich sechs Stunden gute dreieinhalb machte. Das ist für heutige Verhältnisse immer noch viel, zumal, wenn man bedenkt, daß die Oper aus lauter Soloarien (!) besteht.

Fazit: Barockes Antikentheater auf sehr hohem (musikalischen und szenischen) Niveau und trotzdem kurzweilig – ganz ohne Comics und Gags. Vielleicht leistet man sich ja eine Wiederaufnahme in zwei Jahren, wenn die anstehende Restaurierung des Cuvilliéstheaters abgeschlossen ist. Jakobine Kempkens