"DE PROFUNDIS" - 25. Juni 2004

Es scheint, daß der 130. Psalm „De profundis clamavi“ immer dann die Komponisten angeregt hat, wenn es Schweres zu verarbeiten galt. Sei es Tod, Krieg oder Vertreibung. Aber wen wundert’s, bei den Worten „Aus der Tiefe rufe ich, Herr, zu Dir, Herr höre meine Stimme“?

Da kann es auch nicht wundern, daß ein Konzert, das sich nur mit Vertonungen dieses Psalms befasst, einen eher dunklen Grundton hat. Beeindruckend ist es trotzdem allemal, wenn die Reihe Paradisi Gloria des MÜNCHNER RUNDFUNKORCHESTERS diese Umsetzungen auslotet.

So schrieb Josquin des Prez 1515 sein Werk für fünfstimmigen Chor a capella anläßlich des Todes Ludwigs des XII. Bei Orlando di Lasso hingegen war der Grund für seine Bußpsalmen von 1559/60, in gleicher Besetzung wie bei Josquin, etwas profaner in der Verschwendungssucht seines Mäzens Herzog Albrecht V. von Bayern und dessen öffentlicher Buße zu suchen. Beiden Komponisten gelingt es, die bittend verzweifelte Haltung des Textes darzustellen, was der CHOR DES BAYERISCHEN RUNDFUNKS überzeugend interpretiert.

Marcel Dupré hat sein Werk gegen Ende des 1. Weltkrieges geschrieben, für alle Soldaten, die für das Vaterland gefallen sind. Hierbei bestechen besonders der innige Sopran von Helen NEEVES und der leuchtende Tenor von Matthew BEALE, während Colin CAMPBELLs Baß das Sonore vermissen läßt. Aber im Wechselspiel der Solisten mit dem Chor paßt sich auch dieses Werk in die Stimmung des Abends ein. Das Ende des 2. Weltkrieges ist bestimmend für Arthur Honeggers 3. Symphonie, die Symphonie liturgique, deren 2. Satz ebenfalls „de profundis clamavi“ überschrieben ist. Dieser leise und verhalten beginnende Satz steigert sich zwischenzeitlich zu einer rauschhaften Gewalt, die an die akustischen Grenzen der Herz-Jesu-Kirche reicht, und den das Rundfunkorchester wunderbar ausbalanciert.

Als jüngstes Werk kommt Arvo Pärts „De profundis“ für Männerchor, Schlagzeug und Orgel zur Aufführung. Bei Pärt steht das Werk für seine Emigration aus dem sowjetisch bestimmten Estland. Der Männerchor hat hier einen Klang, wie man ihn in der russisch-orthodoxen Liturgie erwarten würde, aber durch den Einsatz von Schlagzeug, Röhrenglocken und Orgel bricht diese Struktur eindrucksvoll auf.

Marcello VIOTTI gelingt mit diesem Programm eine Reise durch die Tiefen der Menschheitsgeschichte, die zeigt, wie nahe sich die Zeiten im Angesicht von Katastrophen sind. KS