„HAYDN, CARTER...“ - 27. Mai 2004

In dieser Saison hat sich das MÜNCHENER KAMMERORCHESTER einen auf den ersten Blick merkwürdigen Schwerpunkt gesetzt. Haydn und die amerikanische Moderne...

So wurde nach Haydns Sinfonie Nr. 26 „Lamentatione“ und der „Toccata für Streichorchester und Cembalo“ des langjährigen Orchesterleiters Hans Stadlmair, zunächst wiederum Haydn gegeben. Die Solokantate „Scena di Berenice Hob. XXIVa: 10“, in der die Sängerin den angeblichen Selbstmord des Geliebten beklagt, fordert die ganze Breite der Gesangskunst. Von Dramatik bis Koloratur, von großer Höhe bis in tiefe Tiefen. Juliane BANSE war alldem mit ihrem vollen Sopran gewachsen und wußte die Partie zu ausdrucksvoll zu gestalten.

Der amerikanische Teil des Abends wurde eingeleitet mit Eliot Carters „A Mirror on which to Dwell“, nach sechs Gedichten von Elizabeth Bishop. Wunderbar, wie Carter es versteht die Texte mit kleinster Besetzung atmosphärisch zu verdichten. Hier das Singen einer Oboe, dort das Bearbeiten der Bongos, getragen von einigen Streichern. Und immer die Stimme, die meist in Fetzen die zerklüfteten und doch innigen Gedichte vorträgt. Juliane Banse wußte auch hier die richtige Spannung aufzubauen.

Am Schluß gab es dann eine Uraufführung, ebenfalls einer amerikanischen Komponistin. Julia Wolfe, Jahrgang 1958, hatte unter dem Titel „Cruel Sister“ ein Stück für Streichorchester geschrieben. Das dreiteilige Stück beginnt mit einer schnellen Pendelbewegung, die immer wieder durch die Streichgruppen wandert, mal crescendiert und dann wieder plötzlich abbricht. Danach folgt ein Teil mit langen liegenden Flageolett-Tönen in den hohen Streichern, um am Ende in eine Pizzicato-Passage zu münden. Alles in allem ein ausdrucksstarkes, fesselndes Stück, das allerdings bei seinen gut vierzig Minuten und dem begrenzten Material doch einige Längen aufweist, die auch Christoph POPPEN mit seinem einfühlsamen Dirigat nicht verhindern kann.

Trotz der strikten Zweiteilung des Abends ein rundes Programm, auch wenn sich ein einzelner Haydn-Fan lautstark über das Wolfe-Stück beschwerte. KS