"FREDEGUNDA" - 13. Februar 2007

Und wieder mal eine Barockoper in München (die wievielte ist es eigentlich?), diesmal von dem nahezu unbekannten Zeitgenossen Telemanns Reinhard Keiser, der zeitlebens in dessen Schatten stand.

Dieses Mal war es die Bayerische Theaterakademie August Everding/Hochschule für Musik und Theater München, die sich des Werks erinnerte, und die es mit Studenten des Studiengangs Gesang Musiktheater in Kooperation mit dem Theater Bremen in dieses Jahrhundert hineinversetzten Inszenierung (Tilman KNABE) vorstellte. Wie die meisten Werke des frühen 18. Jahrhunderts war die Handlung einer historischen Vorlage (Libretto von Francesco Silvani) entnommen, nämlich die politische Verbindung des Königs des westlichen Frankenreichs Chilperichs mit der Westgotenprinzessin Galswintha im Jahre 567, anläßlich derer es zu einigen Verwicklungen und auch Morden in den bestehenden Liebesbeziehungen am Hofe des Königs kam. Diese historischen Auseinandersetzugen versuchte die Inszenierung, mit einem Kriegsschauplatz und einer dazugehörigen Palastbaustelle auf die Bühne zu bringen mit realistischen Darbietungen einer entfesselten höfischen Welt.

Mord und Totschlag herrschten und realistischer Sex waren voll auf der Bühne einzusehen (so wurde sogar der Geschlechtsverkehr des Tyrannen Chilprich mit seiner hochschwangeren Geliebten Fredegunda dargestellt). Aber - muß das sein, um ein nahezu unbekanntes Werk der Barockzeit dem Publikum nahe zu bringen? Genügen eigentlich nicht die Berichte in den Medien Tag für Tag über grauenhafte Ereignisse in aller Welt?

Durch die ständige Anspannung, das Geschehen auf der Bühne zu verfolgen, hatte man kaum Zeit, sich in die hohe Musikalität des Werks hineinzuversetzen. Christoph HAMMER, Leiter der NEUEN HOFKAPPELLE MÜNCHEN gab sich mit seinen Musikern dazu alle Mühe mit großer Einfühlsamkeit ins Werk.

Das Sängermaterial an diesem Abend war nur teilweise vielversprechend. So war Maria ERLACHER als Fredegunda mit dieser Rolle überfordert, ihre mit Sicherheit gute Sopranstimme müßte noch mehr Technik üben, um so einen langen Abend durchzustehen. Ihr Chilperich von Johannes WIMMER war gut gesungen und dargestellt, ebenso die Galsuinde von Bianca KOCH, die besonders in den langen Arien eine fundierte Stimmgrundlage und Durchhaltevermögen aufwies.

Das weitere Liebespaar Bazina (Katja STUBER, die ein ausgezeichne geschultes Stimmaterial nebst Gestaltungsfähigkeit vorwies) und Hermenegild (Tomo MATSUBARA) schoß den Vogel ab, dazu Sebastian SCHMID als Landerich, dem eine Opernkarriere im deutschen Fach gesichert vorausgesagt werden kann. Der Sigibert - Galsuindes Begleiter - wurde von Michael KRANEBITTER gesungen, der seine Partie etwas blaß verkörperte.

Alles in allem muß man dieses Werk nicht zweimal hören und sehen, es sei denn, man ist ein Liebhaber unbekannter Barockkomponisten und macht während der Aufführung die Augen zu. Aber dann würde man den frisch geborenen neuen Tyrannen versäumen, der zum Schluß aus dem Kinderwagen krähte. Irene Stenzel