"DIE PILGER VON MEKKA" - 16. Februar 2008

Es fällt der Rezensentin schwer, hier objektiv zu sein, denn was die Bayerische Theaterakademie hier ihren Studenten zumutet (Inszenierung Vera NEMIROVA) grenzt gelinde gesagt an Überforderung in der Darstellung und ist keine Referenz an den Komponisten Christoph Willibald Gluck, der diese opéra comique zwar in der Zeit des leichtlebigen , sinnlichen und verspielten Rokoko (Uraufführung 1764) nach dem Libretto von L. H. Dancourt und dem deutschen Text von J. Heinrich Faber (1780) komponierte, aber noch lange nicht berechtigt, derartige realistische Sexorgien auf die Bühne zu bringen.

Die Regisseurin hat zwar mit Hilfe von Josef-Horst LEDERER nach der Original-Aufführungspartitur eine Dialog-Fassung vorgenommen, so daß man mehr Dialoge als Musik vernommen hat. Dieses kaum aufgeführte Werk des großen Reformers der Oper der damaligen Zeit, das einige musikalisch hochkarätige Arien enthält, hätte man sehr gerne in einer vernünftigen werksgerechten Inszenierung erleben wollen, was leider nicht stattfand.

Schon zu Anfang mußte man sich in das Milieu einer sektenartigen Männer-WG einfinden, wo man die pantomimischen Morgenzeremonien mit leiser orientalischer Radiomusik untermalte, in die die beiden Hauptprotagonisten Prinz Ali mit seinem Diener Osmin (Junho YOU mit ausgereiftem gut geschultem Tenor und Michael BERNER in großer Spielfreudigkeit) eindrangen. Sie suchten die Verlobte des Prinzen Rezia (Guibee YANG mit gutem Sopran-Stimm-Material) mit ihren Dienerinnen Balkis, Amine und Dardané (Theresa HOLZHAUSER als Balkis, Katja STUBER als Amine, Sabine DIETHELM als Dardané, wobei bei allen Damen ein großartiges schauspielerisches Können auffiel, stimmlich ausgereift bereits Katja Stuber) - aber wo blieb die Musik?

Die kam erst nach fünfzehn Minuten des Wartens, und da wurde man während des ganzen Abends nicht enttäuscht. Alexander LIEBREICH, dem die musikalische Leitung des MÜNCHNER KAMMERORCHESTERS oblag, machte seine Sache sehr gut und führte gekonnt durch den Abend und brachte wenigstens dadurch die Kompositionsgedanken Glucks nahe. Wenn dieser das Bühnengeschehen seiner Oper in dieser Art und Weise hätte miterleben müssen, er hätte sich wohl im Grabe umgedreht.

Denn - geraubte Europäerinnen in einen Harem einzusperren, ist ja wohl im Orient Gang und Gäbe gewesen, und daraus ein Bordell zu machen, gehört zu den Inszenierungs-Ideen der heutigen Zeit. Aber junge, teils noch in Ausbildung befindliche Sänger zu derartig realistischen Sexszenen zu bewegen, das erfordert schon ein wenig Mut und Kaltschnäuzigkeit, zumal solche nun wirklich überhaupt nichts mit der Musik zu tun haben. Während des gesamten Handlungsgeschehens - kann man davon überhaupt noch sprechen bei dieser sexuellen Überschwemmung? - spielte ein übergroßer Plüschbär mit, bei dem sich dann am Schluß herausstellte, daß er wohl den armen sinnlos erschossenen Bär Bruno darstellen sollte, den Prinz Ali an den Ohren von der Bühne zog mit den Worten: "Bruno, wir suchen unser Mekka." Erst dann wurde klar, daß Bruno wohl die Sinnlosigkeit des langen Suchens nach Rezia und ihren Dienerinnen auf der Pilgerreise von Ali und Osmin verkörpern sollte, da alle Handlungsfiguren ihren eigenen neu gefundenen Pilgerweg gehen wollten.

Von den übrigen Sängerdarstellern sei noch erwähnt die Spielfreudigkeit des mit guter Stimme ausgestatteten Georgos KANARIS als Calender, während die übrigen Protagonisten noch einiges an sängerischem Können dazulernen müssen, und deshalb sollen sie auch in dieser Besprechung nicht namentlich erwähnt werden.

Hervorzuheben allerdings ist die Leistung der Maler Melanie GLANZMANN, Niyousha NASRI und Florian ZEUGHAN, die sich als Graffiti-Künstler betätigten und die karge Bühnendekoration und Kostüme (Klaus Werner NOACK) mit gelungenen Zeichnungen innerhalb des letzten Aktes amüsant ausstatteten.

Berechtigte Buhs am Schluß für die Inszenierung, viel Beifall für die jungen aufstrebenden Sängerdarsteller, die ihr Bestes gegeben haben. I. St.